Die Braut des Ritters
Kleidern hatte sie nichts herausgenommen. Keines der übrigen Dinge hatte sie benötigt.
Lady Gerville hatte mehr oder weniger gezwungen fröhlich über den Umzug geplaudert. Avelyn kam es so vor, als freue sich Paens Mutter so wenig über das anstehende Ereignis wie sie selbst. Diamanda und Lady Helen waren ebenfalls gedrückter Stimmung gewesen, sodass Avelyn froh war, endlich ins Wohngemach entfliehen und sich wieder Paens Tunika und Hosen widmen zu können. Mit den beiden Kleidungsstücken hatte sie gleich am Tag nach ihrer Ankunft auf Gerville begonnen. Nachdem sie den ersten Morgen großenteils damit zugebracht hatte, ziellos durch die Burg zu wandern, hatte sie beschlossen, dass sie sich ebenso gut an einen neuen Satz Kleidung für Paen machen konnte. Paen trug noch immer die Garderobe seines verstorbenen Bruders, aber die saß nicht so, wie sie sollte.
„Rumsfeld ist ein herrliches Fleckchen“, fuhr Diamanda fort, als sie das Wohngemach erreichten. „Ich bin sicher, es wird Euch dort gefallen.“
„Ihr wart dort?“, fragte Avelyn neugierig, während Lady Helen die Tür öffnete.
„Aye, als meine Familie mich hierher nach Gerville gebracht hat, sind wir an Rumsfeld vorbeigekom...“ Diamanda brach abrupt ab, als sie in ihre Tante hineinlief. Lady Helen war wie angewurzelt in der Tür stehen geblieben, sodass die beiden Frauen hinter ihr das Gemach nicht betreten konnten.
„Tante Helen? Was ist?“ Diamanda reckte den Hals, um an der älteren Dame vorbeisehen zu können. „Oh“, sagte sie leise. Lady Helen wandte sich um und schob Avelyn vor sich her, fort von der Kammer. „Warum gehen wir nicht lieber ein wenig im Burghof spazieren?“
„Was?“, rief Avelyn. „Aber es regnet.“ Als sie Lady Helens mitleidige Miene sah, trat sie entschlossen an ihr vorbei, um selbst zu sehen, was immer es im Wohngemach zu sehen gab.
Lady Helen legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zurückzuhalten. „Liebes, ich glaube nicht...“ Sie verstummte und ließ Avelyn seufzend los, die sich nun auch an Diamanda vorbeidrängte und den Raum betrat.
Zunächst sah sie nichts, das ungewöhnlich oder anders als sonst war. Das Wohngemach war leer bis auf Boudica und Juno. Lady Gervilles Windhunde schliefen auf einem alten Stück Stoff, das ihre Herrin ihnen offenbar als Polster hingelegt hatte.
Gerade wollte Avelyn sich den anderen beiden Frauen zuwenden, als sie innehielt und noch einmal das Tuch musterte, das unter den Hunden hervorlugte. Es war von demselben Waldgrün wie jener Stoff, den Lady Gerville ihr für Paens neue Kleider gegeben hatte. Gleichsam die Überreste, aus dem seine Mutter seine Hochzeitsgarderobe genäht hatte.
„Avelyn?“, fragte Lady Helen besorgt.
Avelyn durchschritt das Gemach so behutsam, als balanciere sie auf einem Baumstamm quer über einen Fluss. Den Blick fest auf die Hundeunterlage geheftet, setzte sie bedächtig einen Fuß vor den anderen.
Ebenso langsam kniete sie sich hin, als sie die Vierbeiner erreicht hatte, zog an dem Tuch und zerrte es vorsichtig unter den Tieren hervor, die davon aufwachten. Boudica und Juno sprangen auf, wedelten mit dem Schwanz und beobachteten, wie Avelyn die Tunika aufhob, die fast fertig gewesen war. Nun war sie zerfetzt und zerkaut. Völlig ruiniert.
„Ohhh.“ Der schmerzerfüllte Laut kam von Lady Helen. „Und Ihr habt Euch solche Mühe gegeben. Oh, Avelyn.“
„Ich hole Lady Gerville“, sagte Diamanda und eilte hinaus.
Avelyn hörte sie davonhuschen, starrte aber weiterhin auf die zerstörten Überreste von Paens Tunika. Sie konnte es kaum fassen. Sie konnte es überhaupt nicht fassen. Ihr Geist war wie gelähmt und weigerte sich, diese neuerliche Katastrophe anzunehmen.
Boudica winselte und fuhr ihr mit der feuchten Zunge durchs Gesicht. Avelyn blinzelte sich ins Hier und Jetzt zurück und betrachtete das Tier. Auch Juno wagte sich vor und wusch ihr auf Hundeart die Wange. War das eine Entschuldigung? Oder spendeten sie ihr Trost?
Wieder fiepte Boudica und leckte Avelyn durchs Gesicht, als flehe sie darum, ihr und ihrer Gefährtin nicht wehzutun. Avelyn lächelte leicht. Als ob sie diesen einfältigen Wesen nur ein Haar krümmen könnte. Sie stieß einen lang gezogenen Seufzer aus, und mit dem Atem wich zugleich alle Anspannung aus ihr. Sie ließ den Stoff sinken und schloss die Hunde in die Arme, um sie zu beschwichtigen.
„Macht nichts“, versicherte sie den beiden und fand sich von ihrem weichen Fell getröstet.
„Aber
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