Die Braut des Ritters
Erfahrung nach schien eine Frau erst richtig glücklich zu sein, wenn sie Ordnung schaffen konnte, und hier war weiß Gott mehr als genug zu ordnen.
Aye , es würde nicht lange dauern, bis der Wohnturm dank Avelyn tadellos wäre. Zweifellos beaufsichtigte sie gerade eine Armee an Bediensteten, die sich in die Arbeit stürzten, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her.
„Gemahl?“
Paen wandte sich um und sah seine Frau. Unwillkürlich fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen, als sie mit wiegenden Hüften und wippenden Brüsten auf ihn zuschritt. Er fieberte der Nacht entgegen, denn er wollte Avelyn. Da er heute keinen anstrengenden Ritt mehr vor sich hatte, war er guter Dinge, dass er nicht gleich erschöpft wegdämmern würde, sobald er sich hinlegte.
„Hört Ihr mir überhaupt zu?“, fragte Avelyn.
Paen runzelte die Stirn, als ihm aufging, dass er eben das nicht getan hatte. Er war zu beschäftigt gewesen, sich den Abend auszumalen.
„Nay“, gestand er. „Was sagtet Ihr?“
„Ich sagte, mir sind die Bediensteten abhandengekommen.“
Paen starrte sie an. Lange. Schließlich war er überzeugt, sich verhört zu haben. „Wie bitte?“
„Nun, eigentlich sind sie mir nicht abhandengekommen, da ich sie gar nicht erst gefunden habe“, erklärte Avelyn. „Sie sind weder in der Halle noch in der Küche, und ich habe keine Ahnung, wo ich sonst noch suchen soll.“
„Habt Ihr es im oberen Stockwerk versucht?“
Nun war es an Avelyn zu starren. „Dort können sie unmöglich sein, Mylord. Die Treppe ist beschädigt.“
„Nur drei oder vier Stufen“, wandte Paen ein. „Die übrigen sind recht stabil. Vater und ich sind hinaufgegangen, als wir das erste Mal hier waren. Vermutlich ist das Gesinde oben und bereitet die Gemächer für heute Nacht vor.“
„Oh.“ Avelyn verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein und seufzte. „Dann werde ich dort einmal nachsehen.“
Sie überließ ihn wieder seiner Arbeit und kehrte zum Wohnturm zurück, wo sie auf Runilda stieß, die sich durch die Gerätschaften auf dem Karren wühlte. Die Kammerfrau suchte nach Putzutensilien, denn auch diese waren hier Mangelware. Avelyn ließ sie weiterkramen, erklomm die Außentreppe und betrat die Halle.
„Wo ist Lady Helen?“, fragte sie Diamanda. Das Mädchen betrachtete die Überreste der Bank, die unter Lady Gerville zusammengebrochen war.
„Sie wollte nachschauen, ob es hinter der Küche einen Kräutergarten gibt“, entgegnete Diamanda. „Der werde zwar verwildert sein, meinte sie, aber sie hofft, ihn retten zu können.“
Avelyn nickte. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, doch ein Garten mit Kräutern und Heilpflanzen war so unerlässlich wie ein Brunnen. „Ich frage mich, wo wohl der Brunnen ist“, sagte sie. „Es muss einen geben. Sollte das Wasser des ursprünglichen nicht mehr trinkbar sein, werden Paen und sein Vater längst einen neuen ausgehoben haben.“
„Aye, und wir brauchen Wasser, um hier sauber zu machen“, sagte Diamanda mit einem Blick auf den Boden. „Soll ich Paen fragen?“
„Würdet Ihr das tun? Ich muss nach oben, um zu sehen, ob die Bediensteten vielleicht dort sind.“
Entsetzt riss Diamanda die Augen auf. „Aber wieso? Oben ist es gefährlich. Unmöglich, dass sie dort sind.“ „Tja, ich denke genauso, aber Paen meinte, sie würden vermutlich die Kammern herrichten.“
Diamanda schnaubte ungläubig.
Avelyn lächelte verhalten. „Wollt Ihr dann so gut sein und Paen nach dem Brunnen fragen? Ich werde derweil weiter nach den Bediensteten suchen.“
„Gebt acht.“ Diamanda zögerte. „Die Treppe sieht alles andere als sicher aus.“
„Ebenso wie der Fußboden im oberen Geschoss“, stimmte Avelyn zu. „Ich werde aufpassen.“
Sie wartete, bis Diamanda durchs Portal war, ehe sie vorsichtig die Stufen hinaufstieg und sich ans Geländer klammerte, wo es denn vorhanden war. Ihr stand noch deutlich vor Augen, wie die Bank unter Lady Gerville nachgegeben hatte. Da sie selbst derzeit von Unfällen und Katastrophen verfolgt wurde, war sie nicht allzu zuversichtlich, dass sie die Treppe meistern werde, ohne sich nicht zumindest ein Knie aufzuschürfen.
Bei dem Gedanken verzog Avelyn das Gesicht. Sie fragte sich, weshalb sie sich überhaupt mit diesem gefahrvollen Unterfangen plagte, denn in ihren Augen war es sinnlos. Da Paen nun einmal überzeugt davon war, dass das Gesinde oben emsig die Kammern zurechtmachte, würde sie eben nachschauen. Obwohl es unwahrscheinlich
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