Die Braut des Satyrs
stand, dem römischen Gott der Lust und der Fruchtbarkeit. Auf dem Fresko bewachte Priapus einen Garten, und sein extrem langer Penis sollte eventuelle Diebe einschüchtern.
Leider musste sie doch hingesehen haben, denn nun betrachtete Lyon die abgebildete Szene. »Wie mein Bruder erzählt, hat man in den Ruinen Pompejis reichlich erotische Kunst, Fresken, Symbole und Inschriften gefunden, die von den Ausgrabenden als Pornographie bezeichnet wurden. Sogar viele der Haushaltsgegenstände waren mit ähnlichen Motiven verziert. Die Allgegenwart solcher Objekte legt den Schluss nahe, dass man in jenen Tagen um einiges freizügiger eingestellt war.«
In der Stille hörten sie mehrere Peitschenhiebe aus dem Nebenzimmer und ein leises Wimmern von Gina.
Juliette räusperte sich. »Ja, vielleicht. Wollen wir uns nun ein anderes Zimmer ansehen, Monsieur?«
»Ich würde zunächst gern mehr über dieses erfahren.« Er schritt ein Stück an der Wand entlang und studierte das Fresko, das mehrere miteinander verbundene antike Szenen schilderte, von denen eine verwegener als die andere war. Vor dem Gemälde eines Freudenmädchens, das offenbar für einen Gast posierte, blieb er stehen. Es war ein Ölgemälde aus dem früheren Gutshaus der Valmonts.
»Eine
Prostibula
«, las er von der kleinen Goldplakette unten am Rahmen ab.
»Eine
›Morue‹
, wie wir in Frankreich sagen. Sie steht vor ihrem
Stabulum
, der Zelle oder dem Stall, und wartet auf männliche Gäste«, erklärte Juliette, die sich neben ihn stellte. »Sie sieht allerdings nicht besonders glücklich aus, finden Sie nicht auch?«
Er blickte zu ihr auf. »Wären Sie an ihrer Stelle glücklich?«
Aus dem Nebenzimmer drang nun ein rhythmisches Klopfen, begleitet von weiblichem Stöhnen und rohem männlichem Ächzen.
Was die
Prostibula
tat, war eine niedere Form dessen, was hier in Valmonts Etablissement stattfand, wie Lyon zweifellos wusste.
»Non«
, antwortete sie.
Lyon wandte sich wieder dem Bild zu und betrachtete das Gesicht der Frau. »Sie antworten zu rasch, ohne nachzudenken. Sehen Sie sich die Frau richtig an, achten Sie auf ihr Gesicht! Und stellen Sie sich vor, Sie wären in ihrer Position, an einem Tag, an dem Ihr Leben sich vollkommen verändert.«
Er trat hinter Juliette, so dass sie beide vor dem Gemälde standen, legte seine Hände auf ihre Schultern und fuhr mit einer ruhigen, faszinierenden Stimme fort: »Stellen Sie sich vor, Sie sind die Frau, die dort auf einen Mann wartet. Auf irgendeinen Mann, von dem Sie hoffen, er würde Sie im Vorübergehen bemerken. Sie sind ziemlich neu in diesem Gewerbe und schüchtern. Heute Morgen hatten Sie zwei Kunden, aber Sie wissen, dass Sie nichts zu essen haben werden, falls niemand mehr kommt. Deshalb hoffen Sie auf weitere.
Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten gehen vorbei, wägen Ihren Wert gegen die Münzen in ihren Taschen ab. Sie bezirzen und umwerben sie mit Ihrem Lächeln. Aber keiner bleibt stehen … bis schließlich einer kommt, der seine Schritte verlangsamt und bei Ihnen innehält.«
Juliette erschauderte trotz des Feuers. Seine Hände glitten ihre Arme hinunter und wieder hinauf und wärmten sie mehr, als es der Kamin konnte.
Warum stellte er nicht seine Fragen, dann hätten sie es hinter sich? Sie öffnete den Mund, um ihn mit ihren eigenen Fragen herauszufordern, nur leider waren die Worte, die sie aussprach, nicht die, die sie hatte hervorbringen wollen.
»Sie sollten von hier fliehen«, flüsterte sie.
Seine Hände verharrten nur einen winzigen Moment, dann waren sie plötzlich an ihrer Taille. Sanft strichen sie nach oben, über ihre Rippen und höher, bevor sie wieder hinabwanderten und gleich aufs Neue hinauf. Mit jedem Mal kam er den Wölbungen ihrer Brüste näher, bis sie beinahe von Sinnen vor Verlangen danach war, er möge sie endlich richtig berühren.
»Aber der Mann begehrt Sie«, murmelte Lyon geradezu hypnotisch. »Sie sehen es in seinen Augen. Sie nicken und drehen sich um, um ihn in Ihre
Lupanare
zu führen, in Ihre kleine Kammer. In dem Korridor hängen Bilder, die unterschiedlichste Stellungen abbilden, welche er vielleicht gern mit Ihnen erproben möchte. Und zahlreiche Fetische, die Sie anbieten könnten. Manche Kunden brauchen derlei Inspiration und Anleitung. Sie fragen sich, ob er sich die Bilder ansieht, während er Ihnen folgt. Als Sie sich umdrehen, ruhen seine Augen einzig auf Ihnen, und er scheint sich zu fragen, wie Sie unter Ihrer Tunika aussehen
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