Die Braut des Satyrs
machte sie sich gerade und erstarrte wie ein Reh vor einem Raubtier.
Seine Erektion! Selbst durch die Kleidungsschichten hindurch konnte sie die Konturen erahnen – riesig und sengend heiß, zudem mit einer runden und festen Spitze, die beinahe die Ausmaße des Türknaufs hatte, auf dem nach wie vor ihre Finger ruhten.
Eine große Hand legte sich auf ihre Hüfte und drückte sie, was einen erotischen Schauer auslöste. Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Anspannung wie kurz vor einem Blitz. Unendliche Sekunden standen sie stumm da.
»Ich will dich!«, raunte er ihr zu.
Juliette schüttelte den Kopf. »Der Wachmann.«
Lyon griff um sie herum und bedeckte sanft ihre kalten Finger mit seinen warmen auf dem Knauf, den er leise drehte. Im nächsten Augenblick schwang die Tür auf. Wie von selbst trat Juliette in das Zimmer. Sobald sie sich von ihm entfernte, fühlte sie eine unangenehme Kühle an ihrem Rücken. Am frühen Abend waren in sämtlichen Zimmern Feuer gemacht worden, in diesem allerdings war es fast verglommen.
Hinter ihr wurde die Tür geschlossen. Juliette sah unglücklich zu dem Bett und dann zu ihm. Nun, da sie allein waren, würde er sich ihr wahrscheinlich aufdrängen, und sie wusste nicht recht, wie sie dann reagieren sollte. Zunächst aber ging er zum Kamin und schürte das Feuer.
Ihr Blick wanderte zu dem geschnitzten Kaminsims, neben dem er stand. Möglicherweise waren sie hier nicht richtig allein. Jedes Zimmer verbarg geheime Fenster, durch die alles von außen beobachtet werden konnte, falls die Sicherheit der Frauen oder ihrer Gäste gefährdet wäre.
Sie entzündete die Wandleuchten mit ihrer Kerze und beobachtete verstohlen, wie er die exotische Gestaltung des Zimmers aufnahm. Juliette selbst hatte sich das faszinierende Dekor längst allein angesehen; folglich wusste sie genau, was wo zu entdecken war.
Zum Beispiel war ihr bekannt, dass sich über dem Kamin, hinter den Freskenaugen eines lüsternen Soldaten, ein Paar verborgene Gucklöcher befanden. Sie hob zwei Weinkaraffen von einem Teewagen und stellte sie so auf das Kaminsims, dass sie das Gesicht des Soldaten abdeckten und somit jeden Beobachter von dem Geschehen im Raum abschnitten. Zusätzlich klappte sie ihren Fächer aus und lehnte ihn hinter den Karaffen an die Wand.
»Wie heißt dieser Raum?«, fragte Lyon, nachdem er das Feuer wieder entfacht hatte. Seine Stimme klang samtig, passend zu der sinnlichen Umgebung.
»Das Pompeji-Zimmer. Die Einrichtung orientiert sich an den Ausgrabungen der antiken italienischen Stadt nahe Neapel.«
»Erzählen Sie mir, was hier gewöhnlich getrieben wird!«
»Ich glaube, das wissen Sie bereits.«
»Trotzdem würde ich es gern aus Ihrem Munde hören.«
Sie stellte ihre Kerze in einen leeren Halter und machte einen Schritt auf Satyr zu. »Na schön. Die Einrichtung, die Fresken und die Statuen sollen an die
Lupanare
erinnern, die …«
»Pompejanischen Freudenhäuser.«
»Waren Sie dort?«, fragte Juliette überrascht.
»Nein, mein ältester Bruder erzählte mir von ihnen. Nicholas sammelt Antiquitäten und besucht gern Ruinen und Ähnliches. Wir verlassen selten alle zusammen das Weingut, sondern unternehmen unsere Reisen einzeln. Aber fahren Sie fort! Sie beschrieben den Sinn und Zweck dieses Zimmers.«
»Nun, wie die Freudenhäuser soll auch das Interieur hier die Lust anregen, wie Sie sich wohl schon denken können. Sie sollen zum phantasievollen Austausch ermuntern.«
Das amüsierte Funkeln in seinen Augen nahm sie als Affront. »Sie haben einen seltsamen Sinn für Humor, Monsieur.«
»
Tu me comprends mal.
Ich wollte eigentlich eine etwas detailliertere Beschreibung – beispielsweise die, was man hiermit tut.« Er zeigte auf eine Sammlung von hölzernen und ledernen Dildos, die neben einer Ziegenhaut mit Olivenöl standen. An der Wand darüber hingen eine Reitgerte, Fesseln und anderes.
Juliette blickte in seine juwelengleichen Augen. Einst hatten ihre eigenen genauso lächeln können wie seine, aber dann war das Leben viel zu ernst geworden und hatte sie gelehrt, ihr Lachen zu unterdrücken.
»Man könnte sagen, dass es Instrumente sind, die zur Befriedigung unnatürlicher Gelüste dienen.«
»Unnatürlich?« Er zog die Brauen hoch, und sein Grinsen schien ihre katholische Erziehung zu verspotten. »Ist Lust denn nicht der natürlichste Instinkt der Menschheit überhaupt?«
Es kostete sie einige Mühe, nicht darauf zu achten, dass er vor einem Fresko von Priapus
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