Die Braut des Satyrs
Dessert.«
»Ah! Auf das Dessert!« Er prostete ihr zu, setzte sich zu ihr an den kleinen Tisch und erwähnte mit keinem Wort, dass sich kein Dessert unter den Gerichten befand.
Ihm beim Essen zuzusehen, entspannte Juliette ein wenig. Er mochte, was sie gekocht hatte, genoss alles, was sie ihm eigenhändig zubereitete. Der erste Teil des Plans war erfolgreich.
Allerdings war sein Appetit nicht eben groß, wie auch ihrer nicht. Er schenkte ihnen beiden Wein nach, und bald saßen sie da und betrachteten abwechselnd ihre Gläser und einander.
»Sie wissen recht viel über meine Familie, ich hingegen nichts über Ihre«, setzte er an.
Juliette lehnte sich in der beruhigenden Gewissheit zurück, dass er bald die Wirkung des Essens zu spüren bekäme. Die Gerichte waren nämlich noch mit einer geheimen Zutat versehen, die sie selbst nicht im mindesten beeinträchtigte. Wie das sein konnte, wusste Juliette nicht, nur dass es unabdinglich war, dass sie die Speisen selbst bereitete und servierte.
Sie machte eine ausladende Geste mit der Hand, in der sie ihr Glas hielt. »Fragen Sie mich, was Sie wollen. Ich bin ein offenes Buch.« Welche Fragen er stellte, war gleichgültig, denn bald würde er alles wieder vergessen haben.
Er lehnte sich gleichfalls zurück und schien misstrauisch, weil sie ihm so bereitwillig von sich erzählen wollte. »Wer waren Ihre Eltern?«
Sie lächelte. »Madame Fouche, eine dralle, muntere Person, die mich Kochen lehrte und deren Ehemann sie verprügelte, wann immer es ihm in den Sinn kam.«
»Er war nicht Ihr Vater?«
»
Non
, und Madame war nicht meine leibliche Mutter. Ich bin ein Findelkind, in Paris geboren.« Mit einem Nicken wies sie zu den Türmen des Hospice des Enfants Trouvés, die man in der Ferne sehen konnte. »Aber meine familiären Verhältnisse sind ein unerquickliches Thema. Schlagen Sie ein anderes vor.«
Er blickte auf seine Finger, mit denen er über den Stiel seines Weinglases strich. »Nun gut. Mich wundert dieses seltsame Arrangement zwischen Ihnen und Ihrem Vormund, dass er Sie zu den Meistbietenden schickt, damit Sie für die betreffenden Herren kochen und Zeit mit ihnen verbringen. Die meisten Damen Ihres Standes streben nach längerfristigen Liebhabern.«
»Liebhaber.« Sie stellte ihr Glas ab, stützte die verschränkten Arme auf den Tisch und sah ihn an. »Hoffen Sie, mein Liebhaber zu werden, Monsieur Satyr?«
Er schien zu überlegen, hatte jedoch keine Eile mit der Antwort, sondern schwenkte seinen Wein gelassen, während er sie betrachtete. »Das und vielleicht mehr.«
»Mehr? Welche Rolle würde Ihnen denn noch vorschweben?«, fragte sie schmunzelnd.
»Die Ihres Beschützers.«
Ihre erste Reaktion war eine beinahe schmerzliche Sehnsucht, die jedoch umgehend einem Anflug von Zorn wich. Sie hob ihr Glas und betrachtete ihn über den Rand hinweg. »Meiner Erfahrung nach beschützen Herren Damen nicht. Sie bringen sie vielmehr in Gefahr.«
»Reden wir von Monsieur Valmont?«
Sie nippte an ihrem Wein. »Ich spreche nicht ausschließlich von körperlicher Gefahr. Mir kamen die Geschichten über Sie und Ihre Brüder zu Ohren.«
»Aha?«
»Sie drei hinterlassen gebrochene Herzen, wo Sie gehen und stehen – ganz besonders Sie.«
Nun wurde ihm offenbar unbehaglich. »Nicht mit Absicht.« Er nahm eine Traube aus der Obstschale, und für einen kurzen Moment blitzten seine weißen Zähne auf, als er hineinbiss. »Was haben Sie sonst noch gehört?«
»Dass Sie Geheimnisse auf Ihrem Anwesen verbergen.«
»Und wer ist Ihr Informant?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Stimmt es denn?«
»Wir haben alle unsere Geheimnisse, würde ich meinen, sogar Sie. Und deshalb darf ich jetzt wieder Fragen stellen.«
»Nur zu!«, entgegnete sie nonchalant.
»Mich interessieren Ihre Pläne für die Zukunft.«
Leider stellte sie ihr Glas etwas zu abrupt ab, so dass es leise klirrte. »Meine Zukunft?! Diesbezüglich habe ich sehr wenig mitzubestimmen, Monsieur. Welche Frau hat das schon? Wir Damen sind wie bunte Blätter im Herbst, hilflos treibend im Wind, den launige, lüsterne Herren bestimmen.« Zur Illustration vollführte sie eine flatternde Bewegung mit ihrer Hand.
»Sie haben eine sehr niedere Meinung von meinem Geschlecht, bedenkt man, dass wir Ihr Broterwerb sind. Möchten Sie denn nicht eines Tages heiraten?«
»Aber, aber, Monsieur Satyr, wollen Sie mir einen Antrag machen?«
Zu ihrem Schrecken griff er über den Tisch nach ihrer Hand und streichelte sie
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