Die Braut des Satyrs
Morgen wieder zu verschwinden. Er zog seine Hand höher, gegen den Strich seines Pelzes, bis er seinen menschlichen Penis ertastete.
Dieser, der größere seiner beiden Schwänze, zuckte unter seiner Berührung, sehnte sich nach einem Streicheln, für das Lyon viel zu schwach war. Heiß und brennend ragte die Erektion aus seinem Schamhaar auf, die Adern dick hervortretend.
Angestrengt bewegte er seine Hand höher, wo er bald seinen zweiten Penis fühlte und erschrak.
Götter! Er hatte sich noch nicht wieder zurückgezogen!
Was bedeutete, dass er seine eine Ejakulation noch nicht gehabt hatte, die zu Beginn eines jeden Rufrituals bei Vollmond nötig war. Kein Wunder, dass es Lyon schlechtging!
Satyrn spross ein zweites Glied aus den Lenden, wenn der Vollmond aufging, das nach einem einzigen Orgasmus verschwand, wohingegen das andere, größere nach mehrfachem Kopulieren von Sonnenuntergang bis Tagesanbruch verlangte. Und es war ausgesprochen schmerzhaft, wenn einem Satyr beides verweigert wurde.
Leider fehlte ihm die Kraft, eine Nebelnymphe heraufzubeschwören, und Masturbieren kam ebenso wenig in Frage.
Halb von Sinnen vor Verlangen, rief er heiser: »Hallo?!«
Keine Antwort. Er war allein.
Allein bei Vollmond. Seine innere Uhr und die Position des Mondes sagten ihm, dass es noch vor Mitternacht war. Bis zum Morgengrauen wäre er tot, sollte ihm nicht schnellstens geholfen werden.
Lustvolle Erinnerungen an den Abend fluteten seinen Kopf, leugneten die Wahrheit, die seine Hände erkannten. Erotische, halb verschwommene Bilder wirbelten auf und verflüchtigten sich wieder, ehe er ihnen einen Sinn abringen konnte.
Er wusste noch, dass er in ein Paar meergrüner Augen geblickt hatte. Dann war da ein williger femininer Schoß gewesen, der sich den Stößen seiner Glieder hingegeben hatte, lustvolle, verspielte, pornographische Genüsse mit … mit wem? War wirklich jemand bei ihm gewesen? Was zur Hölle war hier los? So angestrengt er auch grübelte – ihm wollte kein Name einfallen. War sie eine Fremde gewesen?
Die Erinnerungen waberten weiter, unkontrollierbar, gaukelten ihm wirre Szenen körperlicher Vereinigung mit einer unbekannten Frau vor. Wie war es möglich, dass sein Gedächtnis ihm vormachte, er hätte heute Nacht Sex gehabt, während sein Körper das Gegenteil bewies?
Er versuchte, sich aufzusetzen, doch dabei drehte sich ihm beinahe der Magen um. Gänsehaut bildete sich auf seiner Haut, und er musste gegen einen scheußlichen Brechreiz ankämpfen. Sein Schädel pochte, als würden ihm zwei Meter lange Weinpfähle hineingerammt.
So fühlte sich Sterben an.
Sobald er die Pubertät erreicht hatte, hatte sein Vater ihm eindringlich zu verstehen gegeben, dass die Folgen für einen Satyr bitter waren, sollte er sich in einer Vollmondnacht nicht paaren. In der Anderwelt galt die Verweigerung der Paarung sogar als härteste Strafe für seine Art. Vor dem Beginn des Rufrituals wurden die Lenden des verurteilten Satyrs in einen Eisenkäfig gesperrt, so dass niemand an sie herankam. Angeblich war es ein höllischer Tod, und bislang hatte noch niemand diese Tortur überlebt.
War er ein Verdammter? Würde er in diesem luxuriösen Hotelzimmer sterben, weit weg von seinem Weingut, seinen Brüdern und seinen Tieren?
Er lag da, fühlte das schleppende arhythmische Schlagen seines Herzens und litt entsetzliche Schmerzen, unter denen er sich keuchend zusammenrollte. Seine Zehen und Waden krampften.
Stets war er der körperlich Stärkste der drei Brüder gewesen. Und nun war ihm, der in seinem Leben noch keinen Tag krank gewesen war, sterbenselend. Er drängte jenen Teil seines Denkens beiseite, der ihn mit Nick und Raine verband, denn sie sollten nicht wissen, wie es ihm ging. Sie sollten seine Pein nicht mitleiden, und das bedeutete, dass er die uralten Blutsbande blockieren musste, die bewirkten, dass sie starke Emotionen selbst über große zeitliche und räumliche Distanz teilten. Es wäre sinnlos, dass sie von seinen Qualen erfuhren, denn sie hielten sich in der Toskana auf und könnten niemals rechtzeitig hier sein, um ihm zu helfen.
Mit aller Kraft schickte er einen stummen Hilferuf in die unmittelbare Umgebung, von dem er allerdings annahm, dass er ungehört verhallen würde. Hier waren keine Kreaturen in der Nähe, die ihn vernehmen könnten.
Die Anstrengung war so groß, dass er ohnmächtig wurde.
In den seichten Seine-Gewässern nahe dem Quai d’Anjou trieb Sibela im Wasser und fixierte
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