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Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Titel: Die Braut des Silberfinders - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Heim, respektabel insbesondere eingedenk seines jungen
Alters. Zuvor bat er seine Begleiter eindringlich, sich möglichst leise zu
verhalten, da sein Weib über einen leichten Schlaf verfüge. Überhaupt vollzog
sich bei Leonhardt eine eigentümliche Wandlung, als er über die Schwelle seines
Hauses trat. Aus dem soeben noch lauthals durchs nächtliche Goslar krakeelendem
Gernegroß wurde plötzlich ein flüsternder, ja geradezu eingeschüchtert
wirkender Duckmäuser. Robert und Osman warfen sich verstohlene Blicke zu.
Leonhardt mochte vielleicht der Hausherr sein, der Herr in seinem eigenen Haus
war er ganz sicher nicht.
    Auf Zehenspitzen schlichen die drei erwachsenen
Männer wie Diebe durchs untere Geschoss geradewegs auf die Feuerstelle zu,
dorthin, wo sich die Vorratskammer befand, und kurz darauf standen Schinken und
Keulen nebst Brot und Schmalz auf dem Tisch, auch für Vegetabilien und Obst war
genug Platz. Leonhardt drückte jedem einen Pokal in die Hand und wollte gerade
Wein einschenken, als Osman ein weiteres Mal in diesem Land, das nach seinen
jüngsten Erfahrungen offenbar ausschließlich von Trunkenbolden bevölkert zu
sein schien, auf seine Religion verwies und dankend ablehnte. So blieb ihm
wieder einmal nur Wasser, während seine Begleiter den süßlich duftenden Wein in
sich hineingossen und zusehends fröhlicher wurden. Das hehre Gelübde, kürzlich
von Robert feierlich verkündet, war längst vergessen, doch wollte es Osman
seinem Freund nicht in Erinnerung rufen, nach allem, was sie eben durchgemacht
hatten. Sein Blick fiel auf den würzig riechenden Schinken zu seiner Rechten.
»Leonhardt, weißt du, ob der Schinken vom Schwein stammt?«
    Robert sah den Prospektor an und schüttelte
unbemerkt von Osman seinen Kopf.
    »Nein, kürzlich saß er noch am Hintern
eines Ochsen, also nimm reichlich!«, erwiderte Leonhardt und zwinkerte Robert
zu. »Dir macht’s der Glaube aber auch nicht leicht im Leben!« Er stand auf und
stellte eine kleine Holzkiste auf den Tisch. »Hier habe ich noch etwas ganz
Besonderes für dich – Käse aus den Harzer Landen, garantiert ohne
Schweinemilch!« Er öffnete die Kiste und wickelte den Käse aus einem
Leinentuch. Sofort lag ein stechender Geruch in der Luft.
    Osman blickte Hilfe suchend zu Robert,
wollte ihn Leonhardt etwa vergiften? Wie konnte ein derart unscheinbares Ding
bloß einen derartigen Gestank verbreiten? Osman nahm das wässrig wirkende
Röllchen näher in Augenschein und schüttelte seinen Kopf. Ihm war zu Ohren
gekommen, dass in einigen Regionen seiner Heimat Heuschrecken und sogar
Schlangen und Skorpione den ärgsten Hunger seiner Landsleute zu stillen
vermochten, doch wie konnte man etwas derart Ekel­erregendes essen? Nein, er
würde die Menschen in diesem Land niemals verstehen.
           
    Es sollte eine lange Nacht werden für die
drei Freunde. Auf Leonhardts Frage, wie es die beiden nach Goslar verschlagen
habe, begann Robert frank und frei wieder einmal seine Lebensgeschichte zu
erzählen, so wie er sie einige Wochen zuvor Bruder Albert unterbreitet hatte.
Und auch diesmal ließ er nichts aus. Er berichtete von seiner Kindheit im
Kloster Knechtsteden und den Mönchen jener Abtei, die ihn als Säugling
ausgesetzt vor der Pforte liegend so herzlich aufgenommen hatten. Er fuhr fort
mit seiner Jugend als Novize bis hin zur Flucht aus dem Kloster, da die
Verlockungen des herannahenden Mannesalters den strengen Regeln einer Abtei
zuwiderliefen. Er gab mit dem gleichen Feuereifer wie seinerzeit dem
Dominikaner Albertus Magnus gegenüber die Reden des Nikolaus’ von Cölln wieder
und erinnerte sich, wie einschneidend sie sein Leben verändert hatten, da er
Nikolaus’ Worten vertraute und mit zwanzigtausend anderen Kindern den Weg über
die Alpen nach Genua wagte.
    Leonhardt lauschte gebannt wie nie zuvor in
seinem Leben, so hatte er schon von den Kinderkreuzzügen gehört, aber freilich
noch nie aus dem Munde eines Beteiligten. Immer wieder schüttelte er ungläubig
seinen Kopf, offenbar bestand sein bislang größtes Abenteuer in der Vertilgung
dieses unsäglichen Käses.
    »Und stimmt es, Robert, dass nur jeder
Dritte jenseits der Alpen das Land der Lombarden erreichte?«
    »Das stimmt in der Tat, doch glücklich
konnten sich die wenigen Überlebenden nicht schätzen. Entweder wurden sie, wie
ich, auf Schiffe verfrachtet und in Afrika als Sklaven verkauft, oder, so sie
denn tatsächlich als freie Menschen das Mittelmeer überquerten, bei den

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