Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
Fänge treibt. Allerdings muss er mir
erst einmal zuhören. Und ich bezweifle stark, dass er das aus freien Stücken
tut.«
Adara nickte
bedächtig, allmählich erkannte sie ihre Rolle in dem Spiel. Kein Wunder, dass
Osman sie bat, sich zu waschen und ein sauberes Kleid auszuwählen. Nun, dann
würde sie wieder das tun, was sie am Besten konnte – Männer um ihren Finger
wickeln.
Ein Stockwerk weiter
unten flog die Eingangstür auf. Beide zuckten erschrocken zusammen, sie
vermuteten die Stadtwache auf der Jagd nach Osman . Schließlich hatte ihn
der Soldat am Rathaus wiedererkannt, was lag also näher, als im Hause seines
Lohnherrn nach ihm zu suchen. Osman sah sich um, konnte jedoch nirgends ein
Versteck ausmachen. Aus dem Fenster springen kam auch nicht infrage, denn
gewiss waren einige Soldaten vor dem Haus postiert.
Wie konnten sie nur so
leichtsinnig sein? Osman schüttelte verärgert seinen Kopf und lauschte dem
Scheppern metallischen Rüstzeugs, das aus der unteren Etage zu ihnen hoch
drang.
»Adara, Osman, seid
ihr hier?«
»Ja, hol mich doch
…!« Osman konnte sein Glück kaum fassen. Schon war er an der Treppe und schaute
neugierig hinunter, womit zum Teufel denn Robert einen derartigen Krach
veranstaltete, und schreckte erneut zusammen, als er völlig unerwartet einen
Ritter zu sehen bekam.
Einen sehr großen Ritter, allerdings ohne
Helm.
»Robert, wie siehst du denn aus?«, fragte
Osman erschrocken vom Anblick seines Freundes. Roberts rechte Wange war
blutverschmiert und seine Rüstung sah aus, als sei eine Rinderherde darüber
getrampelt. Offenbar hatte er eine Menge zu erzählen. Doch nicht hier – denn
der Schock von eben, als Osman die Soldaten der Stadtwache im Hause wähnte, saß
noch tief.
»Bemüh dich nicht«, sagte er zu Robert, der
versuchte, in seiner schweren Rüstung die Stufen hochzusteigen, »wir kommen
runter.« Kurz darauf verließen sie zu dritt Leonhardts Heim.
Auf dem Weg zu Pauls Schlafstätte, der Hütte im Bergdorf, erzählte
ihnen Robert in aller gebührenden Kürze, was sich bei Gottfried zugetragen
hatte und auch, wie er zu der Rüstung und dem Streitross kam. Er trug weiterhin
die Panzerung – wer weiß, dachten sich alle drei, wozu sie noch gut sein
konnte. Außerdem waren sie in Zeitnot, schließlich wollten sie Paul rechtzeitig
vor Antritt seines Wachdienstes antreffen.
»Ich sage euch, er ist es gewesen, ganz
sicher!«, schloss Robert.
»Und, was hilft’s uns, solange wir es ihm
nicht nachweisen können!«
»Ganz recht, Osman, deswegen wollen wir ja
nun Paul auf den Zahn fühlen«, meinte Adara. »Allerdings bin ich mir wegen
Gottfrieds Schuld nicht sicher.«
»Wie kannst du dir nicht sicher sein bei
seinem Verhalten? Er wollte mich umbringen, nachdem er erfahren hatte, dass ich
mit dir und Leonhardt bekannt bin.«
»Eben! Er reagiert seit jeher recht
dünnhäutig, wenn’s um mich oder Leonhardt geht. Außerdem hast du ihn vor
versammelter Dienerschaft tödlich beleidigt. So etwas kann einen gewissenlosen
Heißsporn, der er nun einmal ist, bis zum Äußersten reizen.«
»Wie auch immer«, lenkte Osman ein, »wenn
Paul nur halb so abergläubisch ist, wie Alfred behauptet, wird er uns alles
verraten, was wir wissen wollen.«
Inzwischen hatten sie die Kaiserpfalz
passiert und gingen auf das Bergdorf zu. Ohne Umschweife hatten sie von einem
Jungen erfahren, in welcher Hütte Paul lebte. Er hatte nicht gezögert zu
antworten, vor Angst schlotternd, als ein leibhaftiger Ritter vor ihm stand.
Adara klopfte an, allein, schließlich
wollten sie ihren letzten Trumpf nicht sofort verschrecken.
»Wer ist da?«, fragte eine dünne, eindeutig
weibliche Stimme von drinnen.
»Eine Freundin von Paul. Öffnet, ich hab
mit ihm zu sprechen!«
»Seit wann hat Paul Freunde? Na wartet, ich
komme.«
Die Tür der schäbigen Holzhütte schwang
auf. Drinnen stand eine Alte, sie schien keinen einzigen Zahn mehr im Mund zu
haben. Obwohl sie aussah, als habe sie die sechzig schon lange hinter sich, mochte
sie bestenfalls vierzig Jahre alt sein, wenn das Kind, das sie in ihre Hüfte
gestemmt hielt, ihr eigenes war.
Ungläubig musterte sie Adara. »Du willst
’ne Freundin von Paul sein? Dass ich nicht lache. Bist eher ein Freudenmädchen,
das auf die Zeche wartet, wie?«
Adara ersparte sich jeglichen Kommentar.
»Kann ich ihn sprechen?«
»Er ist nicht da!«
»Und wo ist er?«, fragte Adara ungeduldig.
»Woher soll ich wissen, wo der verdammte
Kerl steckt? Vermutlich
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