Die Braut des Vagabunden
hasste es, anderen die Kontrolle zu überlassen, doch jetzt musste er es ertragen. Nun musste er abwarten, ob Temperance seinen Antrag annehmen oder zurückweisen würde. Warum hatte er nie daran gedacht, dass sie ihn vielleicht nicht wollte?
Sie setzte zum Sprechen an, und er richtete sich auf.
„Warum spielst du Jack Bow?“, fragte sie.
„Wozu ist das wichtig?“, erwiderte er schroff. „Du wirst meine Duchess. Es gibt keinen Jack Bow mehr. Er ist tot.“
„Aber warum hast du ihn je zum Leben erweckt?“ Sie sah ihn so aufmerksam an, dass er am liebsten hin und her gerutscht wäre wie ein verlegener Junge, doch schon als er in Tobys Alter war, hatte er gelernt, dieses Gefühl zu unterdrücken.
„Als wir noch im Exil lebten, habe ich jahrelang den Namen Jack Bow benutzt. Seit ich meinen Besitz wiederhabe, allerdings nur selten. Es war nicht nötig.“
„Aber warum? Warum gibst du dich als Jack Bow aus?“
„Ich habe mich nicht ausgegeben!“ Sein Temperament ging mit ihm durch. „Ich bin Jack Bow.“
„John Beaufleur …“
„Eine zusätzliche Silbe! Jack Beaufleur – Jack Bow.“ Er verstummte, um sich zu fassen. „Ich war ein Landloser mit begrenzten Aussichten“, fuhr er etwas ruhiger fort. „Und ein Titel ohne die dazugehörigen Mittel kann eine Last sein.“
„Du warst erst zwanzig, als du nach England zurückkamst.“
„Ich wurde früh erwachsen. Mit sechzehn bin ich allein von Frankreich nach Schweden gereist, um meine Verwandten dort zu treffen. Jakobs Familie.“
Jacks Blick verharrte auf dem Horizont, als er daran dachte, wie schrecklich und wie schön diese erste Reise allein gewesen war. In seiner Erinnerung war das der Augenblick gewesen, als er sein Leben selbst in die Hand nahm und zum Mann wurde. Bis dahin hatten andere über sein Schicksal entschieden. Der Verlust seines Erbes war die Folge dessen, was andere getan hatten. Als Cromwell England regierte und der König im Exil lebte, war seine Zukunft als Duke of Kilverdale ungewiss gewesen. Daher hatte er sich zu Jack Bow gemacht, zu einem Mann, der jeder Herausforderung nur mit seinem Degen entgegentrat, seiner Laute und seinem Verstand.
„Mit sechzehn verlor ich mein Herz für kurze Zeit an die Tochter eines französischen Comtes – und mir wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass ein Mann ohne Land, mit unregelmäßigen Einkünften, bei dem kaum die Wahrscheinlichkeit bestand, dass er jemals in seine Heimat zurückkehren würde, kein passender Kandidat war für die Tochter eines französischen Aristokraten. Was sollte ich tun? In Samt und Seide herumspazieren, aber mit leerem Bauch, und Schulden machen, die ich vielleicht nie mehr zurückzahlen konnte?“
„Nein!“, rief Temperance erschrocken aus.
Er lächelte freudlos. „Viele Männer lebten so“, sagte er. „Manche kamen damit durch, andere ruinierten sich. Daher wurde ich für den größten Teil meines Lebens Jack Bow. Es war billiger – und wesentlich profitabler. Zuerst verdiente ich meinen Lebensunterhalt mit der Laute. Nachdem ich achtzehn war, wurde ich ebenso oft wegen meiner Fähigkeiten mit dem Degen engagiert wie für meine Kunst, bei einem Fest mit zwei oder drei Liedern zu unterhalten. Mein französischer Onkel ist ein Meister des Degens, und es hat ihm Vergnügen bereitet, mich zu unterrichten. Als wir hierher zurückkehrten, waren wir schuldenfrei. Ist das für Euch Erklärung genug, Madam Ladenbesitzerin?“
Temperance faltete ihre Hände und wandte sich ab, doch er hatte gesehen, wie ihre Hände zitterten.
Er atmete tief durch und umfasste dann ihre Finger. „Es tut mir leid“, sagte er. „Ich hätte dich nicht so angreifen sollen. Du bist nicht verantwortlich für mein Exil.“
Sie sah ihm ins Gesicht. „Ich weiß, dass du als Jack Bow von Venedig nach Hause gereist bist, weil dein Gefolge dich nach und nach im Stich ließ“, sagte sie. „Das hast du gestern beim Dinner erzählt.“
„Sie haben mich nicht im Stich gelassen“, korrigierte Jack sie. „Sie konnten nur nicht mitkommen. Genug geredet. Willst du mich heiraten?“
Sein Ton war gebieterisch, aber sein Herz schlug vor Unbehagen schneller, während er auf ihre Antwort wartete. Er hoffte, sie würde davon nichts merken. Sein Mund wurde trocken. Sein Halstuch zu eng. Als er sah, wie Temperance den Mund öffnete, drückte er unwillkürlich ihre Hände fester. Im nächsten Augenblick würde sie über ihrer beider Zukunft entscheiden. Allzu deutlich wurde ihm plötzlich
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