Die Braut des Vagabunden
freue mich schon sehr darauf, Ihre Gnaden kennenzulernen“, sagte er. Sein Blick fiel auf Temperance. „Ihr müsst ihre Zofe sein“, sagte er. „Vielleicht könnt Ihr uns helfen. Kennt Ihr den Geschmack Eurer Herrin gut?“
Sofort war Temperances gute Laune verflogen. Sie starrte Tolworth an, entsetzt und peinlich berührt von seinem Fehler. Jack hatte sie dem Seidenhändler nicht vorgestellt, aber gewiss hatte Tolworth doch gehört, wie Jack sagte, der Brokatstoff wäre für ihr Hochzeitskleid?
„Dies ist Ihre Gnaden, meine Gemahlin“, sagte Jack in eisigem Tonfall und sehr laut. Dabei legte er Temperance eine Hand auf die Schulter.
„Wie?“ Offensichtlich verwirrt, starrte Tolworth erst Jack und dann sie an. Schließlich blickte er wieder zu Jack hinüber. „Sie ist Eure Duchess?“
„Ja.“
Tolworth’ Ungläubigkeit schien beinahe greifbar zu sein, als er Temperance anstarrte. Dies war die Reaktion, die sie fürchtete – Empörung und Missbilligung, wenn die Menschen von ihrem plötzlichen Aufstieg erfuhren.
„Verkauft uns Eure Seiden oder verschwindet“, sagte Jack. „Aber beleidigt meine Gemahlin nicht mit Eurer Unverschämtheit.“
Tolworth erbleichte. Er wich zurück und verneigte sich dann unbeholfen abwechselnd vor Jack und vor Temperance. „Verzeiht mir. Ich bitte um Vergebung. Mein Bedauern …“
Temperance wandte sich ab. Ihr Herz schlug so schnell, dass ihr übel wurde. Am liebsten wäre sie hinausgelaufen, aber sie wusste, sie musste dieses Treffen mit aller Würde hinter sich bringen, die sie aufbringen konnte. Dies war nur die erste von vielen Begegnungen. Und Jack hatte sie verteidigt.
Sie sah zu ihm auf, seinen Gesichtsausdruck konnte sie nicht deuten. War er aufgrund Tolworth’ Irrtum ebenso verlegen wie sie, oder war er nur wütend über die Unverschämtheit des Seidenhändlers? Ein Wort von Jack würde genügen, um den Händler zu entlassen, aber es wäre unmöglich, das Gerede zu ersticken, das sich nach diesem Zwischenfall ausbreiten würde.
Sie biss sich auf die Lippe und wünschte nur, sie wäre auf der Suche nach Jack nicht hergekommen. Alles hätte sie dafür getan, ihnen beiden diese peinliche Situation zu ersparen. Zumindest würde ihre Herkunft weniger auffallen, wenn sie Kleidung besaß, die zu ihrem neuen Rang passte.
„Genug!“, befahl Jack. „Zeigt uns den grünen Samt, Tolworth!“
Der Händler richtete sich auf und stolperte beinahe über seine eigenen Füße, so sehr beeilte er sich, Jacks Befehl nachzukommen.
Den Rest dieser Begegnung brachte Temperance mit so viel Haltung hinter sich, wie sie nur aufbringen konnte. Die ganze Zeit über hielt Jack seine Hand auf ihrer Schulter. Sie war nicht sicher, ob er ihr damit seine Unterstützung zusichern oder vermeiden wollte, dass sie davonlief, aber sie war dankbar, dass er so offen zeigte, dass sie zu ihm gehörte. Sie empfand große Erleichterung, als die letzte Wahl getroffen war und Jack Hinchcliff zu sich rief, damit er die Waren bezahlte. Während die Männer die Einzelheiten besprachen, schlüpfte sie aus dem Zimmer. Kaum fühlte sie sich unbeobachtet, lehnte sie sich gegen eine Wand und wartete, bis die Spannung nachließ. Einen Moment lang schloss sie die Augen. Die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden hatten sie mehr erschöpft als sechs Tage Arbeit in ihrem Laden.
Jack überließ die Verhandlungen mit dem Seidenhändler Hinchcliff und machte sich auf die Suche nach Temperance. Die Begegnung mit Tolworth war ihm sehr schwierig erschienen, und er fürchtete, dass sie für Temperance noch beunruhigender verlaufen war. Ihr unerwartetes Erscheinen hatte ihn so gefreut und abgelenkt, dass er es versäumt hatte, sie Tolworth vorzustellen. Dafür ärgerte er sich über sich selbst – doch ihn ärgerte auch die Reaktion des Seidenhändlers, als jener erfahren hatte, wer Temperance war. Der Mann musste blind und taub sein, dass er ihre Qualitäten nicht erkannte.
Nur aus einem einzigen Grund hatte Jack die Begegnung nicht abrupt beendet – es war ein Vorgeschmack dessen, was ihnen noch bevorstand. Früh in seinem Leben hatte er gelernt, wie man auf dezente – oder sogar deutliche – Beleidigungen mit aristokratischem Hochmut reagierte. Jetzt war es notwendig für Temperance, dasselbe zu lernen. Allerdings war es Jack schwergefallen, ruhig zu bleiben, während sie mit Tolworth besprach, was sie bevorzugte. Jeder Muskel tat ihm weh, so sehr hatte er sich zurückgehalten. Er bewegte die
Weitere Kostenlose Bücher