Die Braut des Vagabunden
hatte er schon als Sohn, und er wollte nicht noch einen. Auf keinen Fall wollte er über andere, tiefer liegende Gründe nachdenken, warum ihm die Vorstellung nicht behagte, sie zu seiner Mätresse zu machen. Er wusste nur, dass es eine falsche Entscheidung wäre.
Sie hatte sich von ihrem anfänglichen Schrecken erholt, er bemerkte, wie sie ihn mit einem beunruhigend klaren Blick ansah. Den größten Teil seines Lebens hatte er gelernt, seine Gefühle in der Öffentlichkeit zu verbergen, daher nannte er jetzt einen Grund, den zuzugeben ihm nicht schwerfiel.
„Ich will dich in meinem Bett haben, weil du mir großes Vergnügen bereitest“, sagte er. „Das weißt du.“
Temperance machte große Augen, dann wandte sie sich ab, und ihre Wangen färbten sich dunkelrot. Ihre Reaktion verursachte ihm ein schlechtes Gewissen, obwohl er ihr absichtlich auf eine Weise geantwortet hatte, die sie verunsicherte und ihm einen Vorteil verschaffte. Ihm kam der Gedanke, dass die Taktiken, die er erworben hatte, um das Exil zu überleben und bei Hofe zu bestehen, nicht immer passend waren, wenn er mit seiner Gemahlin sprach.
„Ich will dich als meine Frau und Mutter meiner Kinder, weil ich glaube, dass du alles Notwendige tun wirst, um dich und die Kinder sicher und am Leben zu halten“, fügte er widerwillig hinzu.
Temperance sah ihm in die Augen.
„Ich verstehe das nicht“, sagte sie. „Du willst mich heiraten, weil ich gelogen und so getan habe, als wäre ich deine Witwe, damit ich deinen Namen für mein Kind bekommen kann?“
„Ja.“
„Du willst, dass deine Frau eine Lügnerin ist?“
„Nein.“ Jack zögerte. Jahrelang war er stolz darauf gewesen, niemals jemandem etwas erklären zu müssen, Temperance hingegen verdiente mehr als das. „Als ich drei Jahre alt war, war meine Mutter gezwungen, mit mir und zwei meiner kleinen Cousins und Cousinen ins Exil nach Frankreich zu gehen“, sagte er.
„Ich hätte nicht die geringste Ahnung, wie ich nach Frankreich kommen sollte“, meinte Temperance. „Ich spreche kein Französisch. Und noch nie bin ich so weit von London gereist wie hierher.“
„Aber was du getan hast, erforderte ebenso viel Mut und Entschlossenheit wie das, was Mama tat“, sagte Jack. „Und wenn du nach Frankreich hättest gehen müssen, dann hättest du es getan“, fügte er hinzu, als sie den Kopf schüttelte. „Aber das tatest du nicht. Du musstest hierher kommen und dich als meine Witwe ausgeben. Ich bin sicher, dass es mit allem anderen, was dir in Zukunft an Schwierigkeiten zustoßen wird, ebenso sein wird.“ Er hielt inne und wiederholte dann, was er zuvor gesagt hatte. „Vor einiger Zeit habe ich beschlossen, nur eine Frau zu heiraten, die in der Lage ist, sich und meine Kinder zu beschützen. Falls es sein müsste. Wenn ich nicht da bin, um das zu tun. Ich hoffe bei Gott, dass das niemals der Fall sein wird“, schloss er.
Was er da sagte, war ernst gemeint. Er wusste sehr wohl, was er seiner Mutter schuldig war. Als er ein Kind war, hatte sie ihn beschützt und den Rest seines Erbes verwaltet, bis er alt genug war, um selbst die Verantwortung zu übernehmen. Sobald er angefangen hatte, sich Gedanken darüber zu machen, wie seine Gemahlin sein sollte, war ihm klar geworden, dass sie dasselbe können müsste wie Eleanor. Temperance wusste noch nicht, wie man sich in der guten Gesellschaft benehmen musste, der sie bald angehören würde, doch schon jetzt besaß sie den Mut und die Entschlossenheit, alles zu überstehen, was das Schicksal ihr in den Weg stellte.
Nun wartete er darauf, was Temperance erwidern würde. Sie sah ihn an, dachte über seine Worte nach und rieb sich mit unergründlicher Miene die Arme.
Es war Jahre her, seit Jack sich zum letzten Mal in eine Lage begeben hatte, in der er ganz in der Macht einer anderen Person stand und von ihr beurteilt werden sollte. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Obwohl es November und entsprechend kühl war, begann er zu schwitzen. So hatte er sich gefühlt in der Zeit im Exil, als er heranwuchs, wohl wissend, dass er von der Großzügigkeit anderer abhängig war, keine Miene verzog, während seine französischen Cousins ihn verspotteten als Duke ohne Erbe, als Gefolgsmann eines Königs ohne Reich. Damals war er zu stolz, um Aufmerksamkeit einzufordern, und wartete stattdessen, ob es seinem angeheirateten französischen Onkel gefiel, dem englischen Jungen das Fechten beizubringen oder ihn lieber tagelang zu ignorieren.
Er
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