Die Braut des Vagabunden
das um sie herum ausgebreitet lag, den vielfachen Wert der Leinen und Wollstoffe besaß, die sie in ihrem Laden verkauft hatte. Offensichtlich blühte das Geschäft des Seidenhändlers, und ebenso offensichtlich war es, dass er hoffte, an diesem Nachmittag noch ein paar Verkäufe zu tätigen.
Jack nahm einen Ballen blauen Seidentafts und legte ihr zwei oder drei Yards des schimmernden Materials über den Schoß.
„Was meint Ihr?“, fragte er. „Es passt zu Euren Augen. Es wird ein hübsches Déshabillé ergeben.“
Sie berührte den Stoff behutsam, teils beeindruckt von dem herrlichen Material, teils überwältigt von der Vorstellung, jeden Tag Seide tragen zu können. „Es ist wunderschön“, flüsterte sie. „Vielen Dank.“
Er nahm ihr das Muster weg und legte stattdessen fließenden Stoff in Blau mit schwerer Brokatstickerei in Creme und Gold auf ihre Knie. „Für Euer Hochzeitskleid“, sagte er. „Für die Zeremonie in unserer Hauskapelle. Leider ist nicht genug Zeit, um nach etwas Feinerem zu schicken, dies hier sollte allerdings genügen.“
„Oh.“ Sie war gekommen, um ihn zu fragen, ob er sie wirklich heiraten wollte, und er hatte ihr den Stoff für ihr Hochzeitskleid in den Schoß gelegt.
„Gefällt es Euch?“
Mit Tränen in den Augen sah Temperance auf. „Es ist wunderschön“, flüsterte sie. „Herrlich. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Ich danke Euch.“
Ihre Antwort schien ihn zu erfreuen, doch er zuckte die Achseln. „Wenn wir in London sind, werde ich dafür sorgen, dass Halross uns seine neuesten Waren zeigt – nur erst mal wird das hier genügen.“
„Halross?“, fragte sie. Der Name hatte einen vertrauten Klang, obwohl sie nicht wusste, woher sie ihn kannte.
„Gabriel Vaughan, jetzt der Marquis of Halross und seit Kurzem Gemahl meiner Cousine Athena. Er trieb Handel, ehe er den Titel erbte. Seine Schiffe transportieren noch immer vielerlei Waren.“
„Oh ja, ich erinnere mich.“ Temperance strich über den Stoff auf ihren Knien, ganz überwältigt von der Vorstellung, an ihrem Hochzeitstag so etwas Feines zu tragen. „Ich kenne ihn.“
„Ihr kennt ihn?“ Jacks Stimme klang interessiert. „Wie das?“
„Wie bitte?“ Temperance sah zu ihm auf.
„Halross.“
„Er war als Lehrjunge bei Sir Thomas Parfitt“, erklärte Temperance. „Lady Parfitt ist – war, vor dem Brand – Seidenhändlerin in Cheapside.“
„Ich glaubte immer, Halross hätte den größten Teil seiner Lehrzeit in Italien verbracht“, sagte Jack. „Wie kommt es, dass Ihr ihm begegnet seid – und Euch so gut an ihn erinnert?“
„Er ist sehr groß“, sagte Temperance. „Und es geschieht nicht sehr häufig, dass ein Mann Cheapside als einfacher Lehrjunge verlässt und als Marquis zurückkehrt. Vermutlich kennt ihn die halbe Stadt.“
„Große Männer gefallen Euch?“
„Große Männer sind in einer Menschenmenge leicht zu erkennen“, gab sie zurück. Jacks Reaktion darauf, dass sie Lord Halross kannte, gefiel ihr.
„Ich glaube, in dieser Beziehung bin ich Halross gegenüber ein wenig im Vorteil“, behauptete Jack.
„Ihr müsstet Euch Rücken an Rücken mit ihm stellen, damit ich das beurteilen kann.“ Temperance konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu necken.
„Vielleicht hätte seine Gemahlin etwas dagegen.“
„Hmmm.“ Temperance unterdrückte ein Lächeln, doch nach diesem kurzen, scherzhaften Wortwechsel war ihr leichter ums Herz. Sie wusste, auf Lord Halross konnte Jack nicht eifersüchtig sein. Ihre beiläufige Beobachtung hatte indes seine Aufmerksamkeit erregt, und offensichtlich wollte er gern günstig abschneiden, wenn sie ihn mit anderen Männern verglich.
In diesem Augenblick lenkte der Seidenhändler sie beide ab, indem er umständlich ein Stück grünen Samt glatt strich. Sobald er bemerkte, dass Jack ihm seine Aufmerksamkeit schenkte, räusperte er sich und sagte: „Euer Gnaden, ich habe noch andere Muster, die ich Euch zeigen kann.“
Beim Klang seiner Stimme zuckte Temperance beinahe zusammen, nach dem leisen Wortwechsel mit Jack erschien sie ihr unerträglich laut.
„Aber bitte, Tolworth“, erwiderte Jack, der nun ebenfalls lauter sprach. „Meine Gemahlin wird viele neue Kleider brauchen.“
Es erfüllte Temperance mit Freude zu hören, wie Jack sie seine Gemahlin nannte.
„Natürlich, Euer Gnaden.“ Tolworth wirkte so selbstzufrieden, dass Temperance sich vorstellte, wie er bereits seinen Gewinn berechnete.
„Ich
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