Die Braut des Vagabunden
Schultern, die sich so knotig anfühlten wie die Äste einer alten Eiche, und öffnete die Tür zu Temperances Kammer. Zu seiner Überraschung war sie nicht da. Nachdem er sich verwundert umgesehen hatte, ging er zum Salon seiner Mutter. Dort war sie auch nicht. Er stand mitten auf Eleanors türkischem Teppich und wusste nicht, wo er als Nächstes suchen sollte.
„Kann es sein, dass du schon deine Gemahlin verloren hast?“, fragte Eleanor und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
Jack runzelte die Stirn. Ihm war wohl bewusst, dass seine Mutter sich über ihn lustig machte. „Ich weiß nicht, warum ich Humor je als gute Eigenschaft bei einem Menschen angesehen habe“, meinte er.
Eleanor lächelte. „Sei dankbar, dass ich Sinn für Humor habe“, sagte sie.
Ihre Bemerkung löste Jacks Spannung, und er sah sie an. Die Zeit schien an Eleanor beinahe spurlos vorübergegangen zu sein. Sie wirkte kaum älter als auf dem Porträt, das in den ersten Jahren ihrer Ehe angefertigt worden war. Jack war immer stolz auf sie gewesen. Als Junge hatte er sich auf ihre ruhige Umsicht verlassen können, und als Mann vertraute er ihr seinen Haushalt und seinen Sohn an, wann immer er fort war.
„Das bin ich“, sagte er und dachte dabei an all die Gelegenheiten, bei denen Eleanors Fähigkeit, das Komische in einem Missgeschick zu sehen, ihnen das Leben im Exil erleichtert hatte. „Wenn Ihr den Wunsch verspürt, über mich zu lachen, dann bitte.“
„Wie könnte ich da widerstehen?“ Eleanor lächelte. „Du bist für mich eine ständige Quelle des Entzückens und der Unterhaltung. Ich weiß nie, was du als Nächstes tun wirst.“
„Es tut mir leid, dass Ihr auch nur für einen Moment glaubtet, ich sei tot“, sagte er. „Bundle ist voller Schuldbewusstsein. Er hat nicht daran gedacht, dass Tom mich nur unter dem Namen Jack Bow kannte.“
Seine Mutter nickte, bevor sie eine Weile schwieg. Er spürte, dass es ihr ausnahmsweise schwerfiel, Haltung zu bewahren, und bedauerte, ihr unabsichtlich solchen Kummer zugefügt zu haben. Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. Sofort drückte sie seine Finger so fest, dass es beinahe schmerzte.
„Ist Tom der Junge, mit dem Temperance sprach?“, fragte sie schließlich. „Temperance sagte, er sei sehr traurig gewesen.“
„Er umarmte mich, als wäre ich wie Lazarus von den Toten auferstanden, sobald ich wieder im Kaffeehaus Halt machte“, sagte Jack bekümmert.
„Ich hielt dich nur ein paar Minuten lang für tot“, sagte Eleanor. „Temperance glaubte zwei Monate lang daran. Nachdem sie ihren Irrtum erkannt hatte, weinte sie vor Erleichterung.“
„Tatsächlich?“ Diese Neuigkeit bereitete Jack mehr Freude, als er sich eingestehen wollte.
„Und dann wurde sie sehr wütend, weil sie erfuhr, dass du keineswegs ein Pächter bist, der mit der Zahlung seines Zinses im Rückstand ist.“
„Wie bitte?“ Jack war verblüfft.
Eleanor lachte und fasste mit der freien Hand nach seinem Ohrläppchen. „Du solltest sie besser danach fragen.“ Sie zog an seinem Ohr, bis er ihr so nahe war, dass sie seine Wange küssen konnte.
„Ich bin nicht mehr sieben Jahre alt“, murrte Jack, doch er legte einen Arm um sie und zog sie fest an sich.
Temperance erwachte allmählich, wurde sich der Geräusche bewusst, die nicht in ihren Traum gehörten. Sie öffnete die Augen und blickte auf fremde rote Bettvorhänge, mit Seide gefüttert. Dann erinnerte sie sich, dass Jacks Mutter sie früh am Abend in ihre neuen Gemächer gebracht hatte, und verwundert hatte sie festgestellt, dass für sie als Gemahlin des gegenwärtigen Dukes drei herrlich möblierte Zimmer hergerichtet worden waren: ein Salon, ein Schlafgemach und ein Ankleidezimmer. Durch eine Tür war ihr Schlafraum mit dem von Jack verbunden.
Sie drehte sich auf den Rücken und merkte, dass sie in ihren Kleidern auf dem Bett lag. Dabei hatte sie sich nur ausruhen und nicht einschlafen wollen. Sie setzte sich auf und schob den Schal beiseite, mit dem sie sich zugedeckt hatte. Als sie sich umsah, bemerkte sie Jack, der das Holz aufschichtete. Es war seltsam, ihn so vor dem Kamin hocken zu sehen – nur selten hatte Temperance in ihrem Laden das Feuer angezündet.
„Das kann bestimmt eines der Mädchen tun“, sagte sie. Ihre Stimme klang verschlafen.
„Ich weiß.“ Jack erhob sich und wischte sich die Hände an einem Stück Leinen ab. „Manchmal habe ich nicht genug Geduld, um darauf zu warten. Sag es nicht Hinchcliff. Es
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