Die Braut des Vagabunden
Freunde dabei. Wir spielten gerade Billard. Ich hatte getrunken und äußerte eine grausame Bemerkung über Lady Desirée. Unglücklicherweise hörten sie und ihr Vater zu. Der alte Mann wollte mich zum Duell fordern. Zum Glück kam es nicht dazu.“
„Ich verstehe.“ Temperance sah, wie er zum Kamin ging. „Gerade hast du drei Monate lang den Mann gejagt, der versuchte, Lady Desirée zu entführen und ihr Vermögen an sich zu bringen.“ Sie hatte sich gefragt, was wohl seine Motive gewesen waren, jetzt wusste sie, dass er es aus Pflichtgefühl getan hatte, vielleicht sogar, weil er sich schuldig fühlte.
„So viel schuldete ich ihr. Es war wenig genug.“ Jack bewegte die Kohlen mit seiner Stiefelspitze. Funken flogen auf. „Jakob und seine Braut scheinen glücklich miteinander zu sein. Mir kam der Gedanke, Lady Desirée könnte dir eine Freundin werden“, sagte er und wandte sich zu Temperance herum. „Trotz ihres Ranges hat sie nur wenig Zeit in der guten Gesellschaft verbracht. Und auch sie hat ihr Heim durch den Brand verloren. Wenn ihr Freundinnen werdet, wäre es mir lieber, du würdest meine Sünden nicht von ihr hören.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine richtige Lady meine Freundin sein will“, meinte Temperance zweifelnd.
„Tempest, wenn du nicht für den Rest deines Lebens sehr einsam sein willst, dann musst du einen Weg finden, um dich mit ‚richtigen Ladies‘ anzufreunden“, sagte Jack. „Und du tust gut daran, außerhalb des Hofes nach ihnen zu suchen. In jenen Kreisen gibt es zu viele Intrigen und zu viel Eifersucht. Du brauchst ehrliche, vertrauenswürdige Freunde, die dich um deiner selbst schätzen.“
Er klang dabei so ernsthaft, dass Temperance eine Woge von Zärtlichkeit in sich aufsteigen fühlte. Sie erinnerte sich an das, was er ihr über sein Leben im Exil erzählt hatte. Zwischen seinen unsicheren Aussichten damals und dem Reichtum und Einfluss, die er jetzt besaß, musste er selbst einen gehörigen Anteil an Eifersucht und Vorurteilen abbekommen haben.
Sie ging zu ihm, legte eine Hand auf seine Schulter und küsste ihn auf die Wange.
„Wofür war das?“ Es klang erschrocken.
„Weil du nicht willst, dass ich einsam bin. Wie spät ist es?“ Sie trat zurück. Sie fühlte sich unbehaglich und wollte ihn von dem ablenken, was sie getan hatte.
„Gegen Mitternacht, schätze ich.“
„Oh. So lange hatte ich nicht schlafen wollen“, sagte sie.
„Nach allem, was geschehen ist, ist es nur natürlich, dass du dich müde fühlst“, sagte er höflich. „Und durch die Schwangerschaft neigst du bestimmt ebenfalls zur Erschöpfung.“
„Ja. Ja, das ist es.“ Temperance schob ihre Hände in die Falten ihres Rockes. Wenn er so förmlich sprach, wusste sie nie, was sie antworten sollte. Er klang so – so weit entfernt.
„Deine Mutter führte mich in diese Gemächer“, sagte sie. „Sie war so freundlich und großzügig zu mir. Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, um dir eine gute Frau zu sein – und die Duchess in jeder Weise ehren, die mir möglich ist.“
Jack sah sie an, und ihr schien, als sähe sie die Spur eines Lächelns, als sie seine Mutter erwähnte. „Ich weiß, dass du das tun wirst“, sagte er und streckte eine Hand nach ihr aus. „Komm mit. Es gibt noch etwas, das du tun musst.“
11. KAPITEL
„Was ist es?“ Temperance sah sich neugierig um, als Jack sie in sein Schlafzimmer zog.
Die Wände des Gemachs waren von exquisiten Tapeten bedeckt, und vor dem Bett hingen nachtblaue Samtvorhänge, verziert mit silberfarbenen Fransen. Zwei Lehnstühle und einige Hocker waren mit demselben Stoff bezogen. Es war ein wunderschönes Zimmer, aber nichts hier erinnerte sie an Jack.
Er führte sie zu einem Seitentisch aus Walnuss, auf dem Schreibutensilien bereitstanden. „Hier.“ Er zog einige Dokumente aus der Tasche seines Überrocks und legte sie auf den Tisch. „Ich brauche einige Auskünfte von dir und eine Unterschrift.“
Temperance beugte sich über das Pergament und stellte fest, dass die Dokumente ihre Heirat mit Jack belegten, und zwar für den letzten Tag im August 1666. Sie sah, dass Jakob Balston der Zeremonie offensichtlich als Zeuge beigewohnt hatte. Nur die Stellen, die sie betrafen, waren noch leer.
„Woher hast du das?“, fragte sie. „Und seit wann?“
„Nachdem ich den Brief gelesen hatte, den Mama mir durch Jakob und Lady Desirée zukommen ließ“, sagte Jack, „und ehe ich von London nach Sussex
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