Die Braut des Vagabunden
durch diese Tanzstunden führte. Es überraschte ihn nicht, dass sie ein natürliches Talent fürs Tanzen besaß. Am Abend ihrer ersten Begegnung hatte er gesehen, wie sie sich schnell und gewandt bewegte, als Tredgold sie angriff, und auch bei intimeren Anlässen hatte er ihre Anmut bemerkt. Bei jeder eleganten Bewegung ihrer Hände wurde er daran erinnert, wie ihn eben diese Hände liebkost hatten.
Diable! Seine in gesellschaftlichen Dingen gänzlich unerfahrene Gemahlin verführte ihn während ihrer Tanzstunde. Das sollte er eigentlich tun! Er war ein wenig pikiert über die stumme Herausforderung, die sie ihm bot. Bei der nächsten Gelegenheit, als sie sich während des Tanzes um ihn drehen sollte, umfasste er ihre Taille und zog sie an sich für einen raschen Kuss, dann ließ er sie gerade rechtzeitig los für den nächsten Schritt. Ihr Erröten und der verlegene Blick, mit dem sie ihn bedachte, verlieh ihm ein warmes Triumphgefühl.
Temperances erste Tanzstunde war nicht so verlaufen, wie sie es erwartet hatte. Sie hatte geglaubt, mit Jack allein zu sein, aber sie war sich dumm vorgekommen, als sie Hinchcliff mit seiner Zither erblickt hatte. Natürlich musste wenigstens eine weitere Person da sein, um Musik zu machen. Dann hatte Jack ihr seine Hand hingestreckt, und plötzlich lag es nicht an der lebhaften Musik, dass ihr Herz schneller schlug. Sie versuchte, sich auf die Schritte zu konzentrieren, die er ihr zeigte. Im Stillen gratulierte sie sich gerade zu ihrer Beobachtungsgabe, als Jack sie ohne jede Vorwarnung küsste. Darüber erschrak sie so sehr, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte. Aber er tanzte weiter, sodass sie nach ein paar zögernden Schritten dasselbe tat, gleichermaßen entzückt und verlegen. Vor Jack hatte niemals jemand sie umworben oder auch nur mit ihr kokettiert. Sie hielt den Kopf hoch erhoben, versuchte, sich auf die Tanzschritte zu konzentrieren und so zu tun, als hätte sie trotz ihres glühend roten Gesichts nicht bemerkt, wie er jedes Mal mit den Lippen über ihre Finger oder Wange strich – und sogar ihren Mund.
Was sollte das heißen? Sollte das bedeuten, dass er zärtliche Gefühle für sie entwickelte? Temperance liebte Jack, aber sie war entschlossen, sich nicht von ein paar Küssen aus der Fassung bringen zu lassen. Manchmal konnte sie es nicht verhindern, zu erröten und verlegen den Blick zu senken, größtenteils jedoch gelang es ihr, so zu tun, als würde sie sein verführerisches Verhalten nicht bemerken. Es wurde ein Spiel zwischen ihnen.
In diesem Moment gelangte Toby in Temperances Blickfeld. Stirnrunzelnd sah er sie an – und diesmal hatte seine finstere Miene nichts mit Konzentration zu tun. Die Feindseligkeit, die sie in seinen Augen sah, die Jacks so ähnlich waren, vertrieb ihre heitere Stimmung. Steif bewegte sie sich durch die folgenden Schritte, sich Jacks Neckereien kaum bewusst, während sie überlegte, was sie tun sollte. Sie war fest davon überzeugt, dass Jack nicht beabsichtigt hatte, seinen Sohn eifersüchtig zu machen. Dabei kam ihr der Gedanke, dass Jack vielleicht niemals eine Affäre gehabt hatte, sonst hätte er gelernt, sich diskreter zu verhalten.
Bisher war ihre Beziehung zu Toby eine Mischung aus seltsamen Formalitäten gewesen und dem Ritual aus Verbeugungen und Knicksen, die sie bei ihrer ersten Begegnung festgelegt hatten, doch sie hatte ihn von Anfang an gemocht. Seine Art war offen und ehrlich, und anders als alle anderen, die zum Haushalt gehörten, versuchte er nie, seine Meinung zu verhehlen. Wenn er sich ärgerte, weil sie vergessen hatte zu knicksen, sah er sie böse an, bis sie das nachgeholt hatte. Aber wenn er lachte, wusste sie, dass er sich wirklich freute. Vor Jacks Rückkehr hatte sie darauf geachtet, nicht zu viel Zeit mit Toby zu verbringen, damit es nicht so aussah, als wollte sie Jacks Unmut verhindern, indem sie sich bei seinem Sohn einschmeichelte. Jetzt erkannte sie, dass sie, ohne es zu beabsichtigen, weniger Zeit mit dem Jungen verbracht hatte, seit Jack beschlossen hatte, sie zu seiner Duchess zu machen. Sie musste so viel lernen, dass es sie zu überwältigen drohte.
Doch vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben sah Toby sich einer Rivalin um die Gunst seines Vaters gegenüber. Tobys Eifersucht zu erregen war das Letzte, was Temperance zu tun wünschte. Um ihrer aller willen musste sie dieses kokette Spiel zu einem Ende bringen.
„Ich glaube, es ist an der Zeit, die Partner zu wechseln“, sagte sie
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