Die Braut im Schnee
davon überzeugt. Es ist genau dasselbe Muster.»
«Ich bin deiner Meinung», sagte Manfred Petersen. «Ich glaube auch, dass wir es mit demselben Mann zu tun haben. Und trotzdem ist diesmal etwas anders. Es sieht für mich so aus, als sei er mutiger geworden?»
«Was hat eine solche Tat mit Mut zu tun? Kannst du mirdas vielleicht erklären.» Kerstin Henschels Stimme klang aufgebracht, als sie ihre Frage stellte. Noch immer schaffte sie es nicht, Manfred Petersen mit Gelassenheit zu begegnen.
«Vielleicht ist Mut das falsche Wort. Aber was er diesmal getan hat, das hat er sehr viel … ich weiß nicht … sehr viel öffentlicher getan. Er hat sein Opfer in einem Naturschutzgebiet gequält und später getötet. Nicht, wie beim ersten Mal, als die Tat in einem abgelegenen Haus geschah, noch dazu in der Dunkelheit. Diesmal hat er mitten an einem Wochentag und im Freien gemordet. Die Gefahr, überrascht und entdeckt zu werden, war bedeutend größer. Das muss etwas zu bedeuten haben.»
«Vielleicht hat es zu bedeuten, dass er entdeckt werden will», sagte Liebmann.
«Ja. Oder er will den Reiz dadurch erhöhen, dass er ein größeres Risiko eingeht.»
«Es mag makaber klingen», schaltete sich nun Marthaler wieder ein, «aber dadurch, dass wir ein zweites Opfer haben, sind wir ein ganzes Stück weiter. Der Täter beginnt, uns ein Muster zu zeigen. Mit allem, was er tut, verrät er etwas über sich. Allein die Tatsache, dass er zum zweiten Mal in Frankfurt zugeschlagen hat, legt die Vermutung nahe, dass er hier lebt. Und wir wissen jetzt, dass es ihm nicht um Gabriele Hasler allein gegangen ist. Er will Frauen töten, und er will sie vorher quälen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir Vergleiche anstellen. Dass wir das tun, womit Manfred bereits begonnen hat. Was haben die beiden Fälle gemeinsam? Was unterscheidet sie? Und welche Schlüsse können wir daraus ziehen?»
«Aber könnte es nicht sein, dass wir es mit einem Copycat zu tun haben?», fragte Liebmann.
«Mit was, bitte?»
«Mit einem Nachahmungstäter, dem es gefallen hat, wasder Mörder Gabriele Haslers getan hat. Mit einem Menschen, der dieselbe Aufmerksamkeit auf sich ziehen will.»
«Möglich wäre auch das», sagte Marthaler. «Vielleicht können wir dazu mehr sagen, wenn die Spuren ausgewertet sind. Jedenfalls bin ich der Meinung, dass wir Hilfe brauchen. Wir brauchen die Unterstützung von jemandem, der sich besser als wir mit Menschen auskennt, die so etwas tun. Es gibt schließlich Fachleute für so etwas. Und die werden wir um Hilfe bitten.»
«Habt ihr Reifenspuren entdeckt?», fragte Kai Döring, wieder an Walter Schilling gewandt. «Ich überlege nämlich die ganze Zeit, wie der Täter von dort wieder weggekommen ist. Dass der Wagen von Andrea Lorenz noch auf dem Wendeplatz stand, spricht jedenfalls dafür, dass sie mit zwei Autos gekommen sind.»
«Das stimmt», erwiderte Schilling. «Aber ich kann euch wenig Hoffnungen machen. Der Boden dort ist sandig. Wir müssten großes Glück haben, einen verwertbaren Reifenabdruck zu finden.»
«Ja», lenkte Döring ein. «Er muss ja auch nicht mit dem Auto gefahren sein. Er könnte ebenso gut den Bus, ein Motorrad oder was auch immer genommen haben.»
«Und ihr Handy. Was ist damit? Ihr Mann hat gesagt, dass sie es dabeihatte», fragte Marthaler.
Schilling schüttelte den Kopf. «Nichts, bislang jedenfalls nicht.»
«Hat man ihrem Mann eigentlich inzwischen die Nachricht überbracht?», fragte Kerstin Henschel. «Weiß er, dass seine Frau ermordet wurde?»
«Ja», sagte Marthaler. «Ich denke, das ist geschehen. Ich wollte uns das ersparen. Wir haben anderes zu tun. Ich habe Eissler vorhin angerufen und ihn gebeten, das zu organisieren. Trotzdem, wir müssen mit dem Mann von Andrea Lorenz reden,sehr bald. Aber erst einmal gibt es noch ein paar wichtigere Sachen. Vor allem müssen wir das Mädchen aufspüren, das die Tote gefunden hat. Ihr Anruf kam aus einer Telefonzelle in Niederrad. Ich schlage vor, wir hören uns gemeinsam die Aufzeichnung des Notrufs an. Elvira hat das Band bereits aus der Zentrale kommen lassen.»
Marthaler stand auf und verließ den Raum. Zwei Minuten später kam er zurück und hatte einen kleinen Kassettenrecorder in der Hand. Er bat Manfred Petersen, das Gerät an die großen Lautsprecher anzuschließen, die sie im Sitzungszimmer hatten installieren lassen.
Manfred Petersen wollte gerade den Wiedergabeknopf drücken, als die Tür zum Sitzungszimmer
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