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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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bereits tot. Marthaler hielt noch immer den Hörer in der Hand. Dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. Es roch verbrannt.
    «Verdammter Mist», sagte er und sprang aus seinem Sessel auf. Er lief in die Küche. Als er den Backofen öffnete, kam ihm Qualm entgegen. Mit einem Topflappen nahm er die schwarzen Brötchen heraus und warf sie in den Mülleimer.
     
    Auf dem Weg zur U-Bahn sah Marthaler die Schlagzeile: «Tote Braut im Schnee – bestialischer Frauenmord in Oberrad.» Er ging zum nächsten Kiosk und kaufte die drei großenFrankfurter Zeitungen. Auf der Fahrt blätterte er sie durch. Alle brachten ausführliche Berichte, und alle stellten fest, dass die Polizei vor einem Rätsel stehe. Inzwischen waren auch Einzelheiten durchgesickert über die Situation, in der man Gabriele Hasler gefunden hatte, und darüber, was der Täter in den Stunden vorher mit ihr angestellt hatte. Der «City-Express» kündigte auf dem Titelblatt «Exklusiv-Fotos aus dem Mörder-Haus» an. Als Marthaler den Innenteil aufschlug, sah er sich selbst ins Gesicht. Es war das Foto, das vorletzte Nacht auf der dunklen Treppe in Gabriele Haslers Haus gemacht worden war. Er hatte weit geöffnete Augen, seine Züge waren entstellt vor Anspannung und auch von der Angst, die er in diesem Moment gehabt hatte. Seine Haut wirkte fahl im grellen Schein des Blitzlichts. Es war alles andere als das Bild eines Polizisten, der seine Arbeit mit Ruhe und Entschlossenheit erledigte. Marthaler merkte, wie er wütend wurde. Als sie an der Station Höhenstraße angekommen waren, drängelte er an den anderen Fahrgästen vorbei zum Ausgang. Er stürmte die Rolltreppen hinauf, überquerte die schmale Fahrbahn der Berger Straße und sprang in letzter Sekunde in den Bus, der gerade losfahren wollte. Eine Station später stieg er bereits wieder aus. Bis zum Weißen Haus waren es keine zweihundert Meter.
    Schon von weitem sah er das Kamerateam, das sich in der Einfahrt postiert hatte. Auf dem Bürgersteig parkte ein blauer V W-Transporter mit der Aufschrift «Hessischer Rundfunk». Marthaler blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite und überquerte die Fahrbahn erst ein Stück weiter oben. Er wechselte erneut die Richtung und näherte sich nun dem Weißen Haus vom oberen Teil der Allee. Kurz bevor er sein Ziel erreicht hatte, bog er ab in den Hinterhof des Nachbargrundstücks, rollte eine Mülltonne an den Zaun und kletterte hinüber. Dann schaute er hoch zu den Fenstern der umliegendenHäuser. Es war niemand zu sehen. Durch den Hintereingang gelangte er in den Treppenflur. Die Journalisten schienen ihn nicht bemerkt zu haben.
    Noch im Korridor rief er nach Elvira. Er sah seine Sekretärin hinter der offenen Tür in einem kleinen Durchgangszimmer an ihrem Schreibtisch sitzen. Offenbar hatte sie sich an ihrem neuen Arbeitsplatz bereits eingerichtet. Sie begrüßte ihn und zeigte mit dem Kopf auf den Raum, der sich hinter ihrem Rücken befand.
    «Magst du dir nicht mal dein neues Büro anschauen?», fragte sie.
    «Dafür ist keine Zeit», sagte Marthaler. Er warf ihr die Zeitung mit seinem Foto auf den Schreibtisch. «Ich möchte, dass du beim ‹City-Express› anrufst und herausfindest, wer diese Aufnahme gemacht hat. Sie sollen dir Namen und Anschrift des Fotografen geben. Und lass dich bitte nicht abwimmeln. Droh ihnen meinetwegen mit der Polizei.»
    «Mit der Polizei?»
    «Ein Scherz, Elvira, es sollte ein Scherz sein. Sitzen die anderen schon am Mord-Tisch?»
    Wieder sah ihn seine Sekretärin fragend an.
    «Ich meine: ob die Kollegen schon im Sitzungszimmer sind?»
    «Ja, sie warten auf dich. Und Herrmann hat gerade angerufen. Du sollst dich umgehend bei ihm melden.» Marthaler machte eine wegwerfende Handbewegung, dann hatte er den Raum bereits wieder verlassen.
    Als er das Sitzungszimmer betrat, tauchten die Köpfe von Kai Döring und Sven Liebmann hinter den großen Kartons auf, mit denen der Mord-Tisch beladen war. Beide Polizisten waren damit beschäftigt, die Beweismittel zu sichten, welche die Spurensicherung aus dem Haus des Opfers abtransportiert hatte. Manfred Petersen stand am Fenster und telefonierte,während Kerstin Henschel auf den Monitor ihres Computers starrte.
    «Gibt es Neuigkeiten?», fragte Marthaler. Acht müde Augen seiner Kollegen sahen ihn an. Dann berichtete einer nach dem anderen, was er in den letzten vierundzwanzig Stunden herausbekommen hatte. Es war nicht viel. Kerstin Henschel war in der Zahnarztpraxis am Kleinen

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