Die Braut im Schnee
Zwei seiner inzwischen erwachsenen Kinder leben ebenfalls wieder dort. Ganz in der Nähe des Hauses befindet sich, ganz nebenbei bemerkt, eine große Schule. Magenau betreibt auf den Namen seiner Frau einen Kiosk, in dem die Schüler sich ihre Süßigkeiten und Getränke holen.»
«Verdammter Mist», sagte Marthaler. «Was für eine elende Jauchegrube. Geht das noch lange so weiter?»
«Gut», sagte Petersen, «die nächsten drei Fälle im Schnelldurchlauf – aber die müssen sein, damit wir ein möglichst komplettes Bild bekommen.»
Wieder erschien das große Porträt eines Mannes auf dem Bildschirm. «Theodor Lenau, deutschrussischer Abstammung. Wie ihr seht, ein ziemlich kräftiger Kerl. Hat Automechaniker gelernt, aber in allen möglichen Jobs gearbeitet. Ein Einzelgänger. Um sein Einkommen aufzubessern, hat er um Geld gepokert und gelegentlich wohl auch mal einen Luxuswagen gestohlen und Richtung Osten verschoben. Uns interessiert aber etwas anderes. Lenau hat immer wieder Prostituierte aufgesucht, mit Vorliebe solche, die ihr Gewerbe in Privatwohnungen ausüben. Er verlangte dann von ihnen, dass sie sich ausziehen, während er selbst seine Kleider anbehielt. Wenn die Frauen nackt waren, hat er sie immer wieder mit der flachen Hand auf beide Wangen geschlagen. Wohlgemerkt handelte es sich um Prostituierte, in deren Angebot sadomasochistische Praktiken ausdrücklich nicht enthalten waren. In den meisten Fällen hat er sich ihr Schweigen durch zusätzliche Entlohnung erkauft. Irgendwann fing er an, die Frauen nicht nur zu schlagen, sondern auch zu würgen. Eines der Opfer ist gerade noch mit dem Leben davongekommen. Vor Gericht behauptete er, das sei Teil der Abmachung gewesen. Wie immer fand sich ein Sachverständiger, der die Vermutung äußerte, die Ursache für Lenaus Taten sei in seiner Kindheit zu suchen. Seine Mutter war eine Gelegenheitshure, die ihre Freier zu Hause empfing, während der Junge im Nebenzimmer warten musste und keinen Laut von sich geben durfte. Auch wenn Theodor Lenau kein ausgesprochener Dreizehner ist, so denke ich doch, dass sein Fall hierher gehört. Lenau wurde verurteilt, hat seine Strafe abgesessen und ist wieder auf freiem Fuß.»
Als Manfred Petersen das nächste Porträt anklickte, pfiff Kerstin Henschel leise durch die Zähne. «Ich fürchte, dem lagen die Frauen reihenweise zu Füßen», sagte sie.
«Allerdings. Und zwar in einem ziemlich wörtlichen Sinn», erwiderte Petersen. «Luigi Pavese, genannt ‹der schöne Lutz›. Italienischer Abstammung, aber in Deutschland aufgewachsen. Vertreter für Haushaltsgeräte. Sprach ausschließlich verheiratete Frauen an und verabredete sich mit ihnen zum Kaffeetrinken und einem anschließenden Spaziergang. Immer suchte er einsam gelegene Ausflugslokale aus. Er lotste die Frauen auf eine Wiese oder in ein Waldstück und zwang sie unter Gewaltandrohung, sich nackt vor ihm hinzuknien. Dann verband er ihnen die Augen. Während er sie mit unglaublicher Obszönität beschimpfte, fasste er sie an und onanierte. Die Frauen mussten seine Beleidigungen wiederholen und ihm bestätigen, dass es für sie ein Genuss sei, von dem schönen Lutz berührt zu werden. Wenn er sich befriedigt hatte, nahm er die Kleider des Opfers an sich und verschwand. Verurteilt, Strafe abgesessen, wieder in Freiheit.»
Beim letzten Täter, den ihnen Manfred Petersen an diesem Morgen vorstellte, handelte es sich um den Fotografen Helmut Drewitz. Drewitz war eine Zeit lang gut im Geschäft gewesen. Er galt als einer der Besten seines Fachs und hatte seine Bilder an alle wichtigen Zeitungen und Zeitschriften verkaufen können. Die Bank hatte ihm eine Villa in Kronberg finanziert, er fuhr große Autos und machte dreimal im Jahr Urlaub. Als seine Frau sich von ihm scheiden ließ, begann sein Abstieg. Er verfiel zunehmend dem Alkohol. Die Aufträge blieben aus, seine Schulden wuchsen. Um wieder zu Geld zu kommen, begann er die ersten schmutzigen Jobs zu übernehmen.
Er spezialisierte sich auf so genannte Kinderporträts. Er fotografierte auf Spielplätzen, in Schwimmbädern und an FK K-Stränden . Je jünger die Kinder waren und je wenigersie anhatten, desto besser ließen sich die Fotos verkaufen. Bald beschränkte er sich nicht mehr auf zufällige Aufnahmen. Er suchte und fand Eltern, die gegen Bezahlung bereit waren, ihre Kinder so von ihm fotografieren zu lassen, wie er es wünschte. Als man sein geheimes Fotolabor aushob und ihn verhaftete, fand man in seinem
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