Die Braut sagt leider nein
und der Schnee lag in einer dünnen, gefährlichen Schicht auf der Fahrbahn. Kaum eine Reifenspur durchteilte die weiße Decke. Natürlich nicht. Bei solchen Straßenverhältnissen blieb jeder vernünftige Mensch zu Hause.
Jeder, außer diesem Surffreak namens Björn, den das Schicksal dazu bestimmt hatte, unsere Beziehung zu zerstören.
Weinend ließ ich mich in mein Auto fallen. Der Motor sprang sofort an, und ich fuhr langsam die Straße hinauf. Obwohl ich Heizung und Belüftung auf Maximum stellte, fror mein Atem an der Windschutzscheibe fest, und ich konnte rein gar nichts erkennen. Etwa dreihundert Meter vom Haus weg standen die Altpapier- und Glascontainer, und dort hielt ich wieder an, um nach einem Gegenstand zu suchen, mit dem ich die Scheibe freikratzen konnte. Langsam versiegten die Tränen. Stattdessen wuchs die Wut in mir. Nicht mal Handschuhe hatte ich mitnehmen können, als man mich aus meiner eigenen Wohnung vertrieben hatte.
Ein ziemlich heruntergekommener Kombi mit Dachgepäckträger und vielen Aufklebern schlitterte in den Straßenverhältnissen unangepasster Weise an mir vorbei. Auch seine Windschutzscheibe war bis auf ein kleines Loch auf der Fahrerseite zugefroren, aber ich hätte schwören können, dass durch dieses Loch der Surffreak namens Björn geguckt hatte. Genau so ein Auto hatte ich ihm zugetraut. Wutschnaubend setzte ich mich zurück in den Wagen. Wo konnte ich denn jetzt hinfahren? Es war Sonntagabend, und überall, wo ich hinfahrenkonnte, würde ich genauso stören, wie dieser Björn uns gestört hatte. Außer, ich fuhr zu meiner Mutter, dort war ich immer willkommen. Aber allein der Gedanke, ihr erklären zu müssen, warum ich gekommen war, hielt mich davon ab. Sie würde ihre Stirn in kummervolle Falten legen und es mir überlassen, zu raten, was sie davon hielt.
Ratlos kratzte ich mit dem Fingernagel Eis von der Windschutzscheibeninnenseite. Wenn ich nicht erfrieren wollte, musste mir bald etwas einfallen. Da klopfte es gegen die Scheibe. Ich zuckte erschreckt zusammen.
»Huhu!«, schrie jemand draußen. Durch den Eisschleier hindurch erkannte ich Kassandra, unsere Nachbarin.
»Huhu«, erwiderte ich erleichtert.
Kassandra öffnete die Beifahrertür. »Was machst du denn um diese Zeit hier draußen?«
Ich wusste, dass die Spuren meiner Tränen auf meinen Wangen festgefroren und Augen und Nase überdies gerötet waren. Es wäre zwecklos gewesen, meinen Kummer zu leugnen.
»Ich habe mich mit Alex gestritten«, sagte ich.
Kassandra nickte gelassen. »Das habe ich mir gleich gedacht«, sagte sie. »Über eurer Wohnung lag den ganzen Tag so eine negative Aura. Möchtest du wegfahren?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht, wohin«, sagte ich, und da lud Kassandra mich ein, mit zu ihr nach Hause zu gehen.
Sie war eine zierliche Frau Anfang Fünfzig mit auffallend türkisfarbenen Augen und silbergrauen Locken, die ihr bis zur Taille reichten. Ich hatte sie gleich amTag meines Einzugs kennen gelernt. Alex hatte mir gesagt, dass seine Nachbarin ein wenig seltsam sei, da sie mit Waldgeistern und Engeln spräche, aber ich fand gerade das interessant. Kassandra sagte, sie und ich würden uns aus einem früheren Leben kennen, und das sei der Grund für unsere spontane Zuneigung. Alex meinte, das sei völliger Quatsch, aber er konnte auch nicht das Gegenteil beweisen. Ich mochte Kassandra auf Anhieb, so als würde ich sie tatsächlich schon ewig kennen. Sie beschäftigte sich mit faszinierenden Dingen, und in den paar Wochen, in denen ich hier wohnte, hatte ich schon eine Menge von ihr gelernt. Seit wir zum Beispiel einen Rosenquarz neben dem Bett liegen hatten, der die Strahlung des Radioweckers absorbierte, konnte ich viel besser schlafen. Alex hielt auch das für Quatsch und reine Einbildung, aber er konnte das Gegenteil nicht beweisen.
In Wahrheit, also auf dem Pass, hieß Kassandra Gerdamarie Dahlberg, aber Kassandra war der Name, den ihre geistigen Führer ihr gegeben hatten. Im Grunde, sagte Kassandra, sei sie auf der Erde nur zu Gast, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Sie stamme von einem Planeten weit hinter den Plejaden, auf dem die geistige Entwicklung schon viel weiter fortgeschritten sei als hier bei uns. Das erklärte vielleicht, warum sie meistens über den Dingen stand, von denen wir Irdischen so oft geplagt werden.
Ihre Wohnung kam mir an diesem Winterabend tatsächlich wie eine Zuflucht auf einem anderen Planeten vor. Sie war angenehm geheizt und
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