Die Braut von Rosecliff
hässliche alte Kusine genannt, und Josselyn hatte Meriels Gesicht angesehen, wie gekränkt sie zu Recht über diese taktlose Bemerkung war. Trotzdem schien sie nicht ihrem Vetter, sondern Josselyn zu grollen, die schließlich resignierte und nicht mehr versuchte, mit der älteren Frau Freundschaft zu schließen.
Madoc hatte sich während ihrer Schwangerschaft immer wieder gebrüstet, dass sie ihm einen Sohn gebären würde. So auch an jenem schrecklichen Tag, als sie Rand wiedergesehen hatte… Es war auf dem Jahrmarkt von Liangarn gewesen, der einen Höhe punkt im wenig abwechslungsreichen Leben der Menschen von Nordwales darstellte. Dort gab es alles zu ka u fen, was das Herz begehrte, und man konnte außerdem die Darbietungen von Feuerschluckern, Seiltänzern und anderen Akrobaten bestaunen.
Josselyn besuchte diesen berühmten Jahrmarkt in Begleitung ihres Mannes, ihres Onkels und ihrer Tante und genoss den ganzen Rummel und das geschäftige Treiben – bis zu dem A u genblick, als Rand und Osborn direkt auf sie zu ritten.
»Ich möchte Euch nachträglich zur Hochzeit gratu lieren«, sagte Rand auf Walisisch, an Madoc gewandt, der verdutzt drei n schaute. »Kennen wir uns?«
Nachdem Clyde ihm den Engländer eilig vorgestellt hatte, warf Madoc sich im Sattel stolz in die Brust. »Ich akzeptiere Eure Glückwünsche. Ihr dürft mir sogar ein zweites Mal grat u lieren, denn meine Frau wird mir in einigen Monaten einen Sohn schen ken!«
»Dann lasst uns hoffen, dass Eure Erben und die meinen friedlich zusammenleben werden«, sagte Rand nach kurzem Schweigen und verabschiedete sich.
In jener Nacht hatte Josselyn sich in den Schlaf geweint. Ah n te Rand, dass es sein Kind war? Sie lieb te ihn immer noch, das war ihr bei dieser kurzen Begegnung klar geworden. Sie würde ihn immer lie ben…
Josselyn beugte sich über die Wiege, die dicht am Kamin stand, damit ihre kleine Tochter nicht fror, die sie Isolde getauft hatte. Würde das zarte Geschöpf überleben? So viele Kinder starben kurz nach der Geburt. Atmete Isolde noch? Ja, sie schlief friedlich. Beruhigt beschloss Josselyn, frisches Wasser zu holen.
Es war gegen Mittag. Madoc schnarchte in seinem Sessel in der Halle, und Meriel saß auf der Fenster bank und stopfte seine Unterhose. Eigentlich wäre das Josselyns Aufgabe gew e sen, aber sie riss sich nicht darum. Madoc hatte jedes Interesse an ihr verlo ren, seit sie keinen Sohn, sondern eine Tochter zur Welt gebracht hatte. Er war nicht viel besser als Owain, und wenn es Meriel Spaß machte, ihren egois tischen Vetter zu bedi e nen, sollte sie es ruhig tun. Jos selyn hatte nichts dagegen.
Sie füllte einen Eimer mit Wasser und schleppte ihn die Treppe hinauf. Vor der Tür zu ihrem Zimmer stell te sie ihn ab und rieb sich den schmerzenden Rücken. Seit wann war sie so schwach geworden? Dann hörte sie ein Geräusch, vergaß ihre Müdigkeit und stürzte ins Zimmer. Wollte jemand Isolde etwas zu Leide tun?
»Was hast du hier zu suchen?«, schnauzte sie Rhys an, der sich über die Wiege gebeugt hatte.
Der Junge sprang mit schuldbewusster Miene zurück und wollte flüchten, aber sie versperrte ihm dem Weg, »Was willst du hier?«, fragte sie wieder.
»Ich hab sie nur angeschaut, weiter nichts.«
Einen Moment lang hatte Josselyn panische Angst, dass O wain seinen unerfreulichen Sohn hergeschickt haben könnte, um der Kleinen etwas anzutun. Sie eilte zur Wiege und berüh r te Isoldes Wange. Sie atme te, war völlig unversehrt.
»Sie schläft, und dann kann sie keinen Besuch gebrauchen«, erklärte sie Rhys, der in die Nähe der Tür gehuscht, aber nicht weggelaufen war und sie mit seinen fast schwarzen Augen au f merksam beobachte te.
»Sie ist furchtbar klein«, murmelte er.
»Sie wird wachsen.«
»Meriel sagt, dass sie wahrscheinlich sterben wird.«
»Meriel irrt sich!« Josselyn hob das schlafende Kind behutsam hoch und nahm es in die Arme, so als woll te sie es vor all den grässlichen Menschen in diesem Haus beschützen.
»Mädchen können gar nichts erben«, bemerkte Rhys.
»Sie kann weder deinem Vater noch dir euer Erbe streitig m a chen. Du brauchst keine Angst vor ihr zu haben.«
»Ich und Angst vor einem Baby? Ich doch nicht!«
Josselyn betrachtete ihn nachdenklich. Er war groß für sein Alter, aber sehr mager, und er war immer schmutzig. »Wenn du dich vorher ein bisschen wäschst, darfst du sie halten. « »Ich will sie gar nicht halten!«
Sie schaute lächelnd auf das winzige Gesicht
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