Die Braut von Rosecliff
war es beim Reden geblieben. Das lag natürlich daran, dass Owain nicht in Afon Bryn weilte. Seit er Carreg Du am Tag vor Jos selyns Hochzeit mit seinem Vater in blinder Wut ver lassen hatte, war er nicht mehr gesehen worden, weder er noch seine drei besten Freunde noch Rhys. Niemand war darüber erleichterter gewesen als Josse lyn.
Während sie jetzt auf einer Bank in der Sonne saß, über eine Näharbeit gebeugt, fragte sie sich wieder besorgt, wie ihr Mann reagieren würde, wenn sie ihm die Wahrheit sagte. Würde er sie schlagen? Würde er das Kind töten?
Nein, nur das nicht! Sie legte unwillkürlich eine Hand auf i h ren Bauch, so als wollte sie das Ungebo rene beschützen. Ihr Kind… Rands Kind…
»Na, wartest du auf deinen Mann?« Meriel setzte sich zu ihr und wischte sich die Hände an der Schür ze ab. I h re Haut war rot und rissig von jahrelanger schwerer Arbeit.
»Soll ich dir aus Hundsquecke eine Salbe ma chen?«, fragte Josselyn.
Meriel schnaubte. »Das Zeug wächst nur weit von hier en t fernt, und Madoc würde es bestimmt nicht gern sehen, wenn du in diesen unruhigen Zeiten al lein durch Feld und Wald schweifst.«
»Ich könnte ihn ja bitten, mich zu begleiten.«
»Ha! Er ist doch kein verliebter Jüngling, der hinter dir he r läuft! Das liegt nicht in seiner Natur. Wer sollte das besser wi s sen als ich? Wir sind gleichaltrig, und obwohl er nur mein Ve t ter ist, wuchsen wir wie Geschwister zusammen auf.« Sie stand plötzlich auf. »Er hat dich zwar geheiratet, aber du kannst ke i nen Narren aus ihm machen.«
»Das liegt gar nicht in meiner Absicht.«
Josselyn konnte sich nicht erklären, warum Meriel sie mit einem Blick bedachte, der vor Hass sprühte. Sie hatte immer ve r sucht, gut mit Madocs Kusine aus zukommen. Ihr blieb aber keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn Pferd e hufe donnerten über die Dorfstraße. Als sie aufstand, stellte sie fest, dass ihr Mann jetzt eine größere Gruppe anführte als bei seinem Auf bruch.
Owain ritt an seiner Seite.
Die Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf. Owain war zurückgekehrt, mit seinen drei Freunden, seinem Sohn – und einer sehr hüb schen Frau, die völlig ve r ängstigt aussah.
Madoc beobachtete seinen Sohn scharf, als dieser Josselyn begrüßte. »Meine liebe Stiefmutter…« Er küsste ihr die Hand, wie es sich gehörte. Sein Benehmen war untadelig, aber sie traute ihm nicht über den Weg. »Du bist jetzt die Großmutter meines Sohnes. Rhys, komm her!« Er schob den Jungen grob auf sie zu.
Rhys konnte seine Gefühle noch nicht so gut ver bergen wie sein Vater. Er starrte Josselyn mit funkeln den Augen an. »Sag jenem Mädchen, dass ich es bei unserer nächsten Begegnung in Stücke hacken werde!«
Owain lachte, während der Junge fluchend weg rannte. »Von einem Mädchen gefangen genommen! Das wird meinen näch s ten Söhnen bestimmt nicht passieren.« Er legte einen Arm um die schüchterne junge Frau. »Ich möchte euch allen meine Frau Agatha vorstellen.«
In der Menge wurde aufgeregt getuschelt. Madoc schien über die unerwartete Heirat seines Sohnes sehr erfreut zu sein. Hof f te er, dass Owain nun keinen Groll mehr gegen ihn hegte? »Willkommen, Agatha!«, rief er herzlich. »Als Frau meines Sohnes bist du ab jetzt meine Tochter. Josselyn, begrüße Aga t ha wie deine Schwester… äh, wie deine Tochter…«, korri gierte er sich hastig. »Kommt, lasst uns feiern!«
Und es wurde bis spät in die Nacht hinein lautstark gefeiert. Das heißt – die Männer feierten, während die Frauen in der K ü che schufteten und sie bedienten. Josselyn hoffte, mit Agatha Freundschaft schließen zu können, die von Meriel mit kaum verhohlener Ver achtung behandelt wurde.
Während des ganzen Abends schenkte Owain Jos selyn keine Beachtung, worüber sie heilfroh war, doch als ihm endlich ei n fiel, dass er eine Frau hatte, riss er zwar Agatha brutal in seine Arme, doch über ihren Kopf hinweg starrte er Josselyn an.
»Entschuldige bitte, dass ich dich so vernachlässigt habe, meine süße Braut!« Er leckte sich langsam die Lippen, den Blick immer noch auf Josselyn gerichtet. »Ich werde dich gleich dafür entschädigen.« Mit diesen Worten warf er Agatha wie einen Mehlsack über die Schulter, klatschte ihr auf den Hintern und trug sie die Treppe hinauf. Die betrunkenen Gäste klatsch ten Beifall.
»Besorg’s ihr ordentlich!«
»Schau, dass es ein strammer Junge wird!«
»Zeig ihr, was für ein Kerl
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