Die Braut von Rosecliff
mich warnen, dass du beabsichtigst, den Widerstand der Waliser mit Gewalt zu brechen. Hatte dein Besuch noch einen anderen Zweck?«
Rand unterdrückte einen schweren Seufzer. Was ihm sonst noch auf dem Herzen lag, würde er niemals über die Lippen bringen. Trauerte Josselyn um ihren Mann? Würde sie jetzt Owain heiraten – freiwillig oder gezwungenermaßen?
»Owain hat schon eine Frau.«
Es wunderte Rand immer wieder, dass der Barde seine G e danken lesen konnte. »Dann wird diese Frau bald ebenfalls Witwe sein! Newlin, pass auf, dass du nicht zwischen die Mühlräder des Kriegs zwischen Rosecliffe und Carreg Du g e rätst! Gute Nacht.«
Auf dem Rückweg kreisten seine Gedanken um ein einziges Thema. Josselyn war frei! Sie musste nicht mehr die Zärtlic h keiten eines alten Mannes ertragen! Vielleicht würde sie jetzt mehr zu schätzen wissen, was ein kraftvoller junger Mann ihr bieten konnte…
Die Engländer griffen Carreg Du im Morgengrauen an. Rands beste Männer überwältigten die Wachen, die um das Dorf postiert waren. Osborn hatte das Kommando über die linke Flanke, Jasper über die rechte, und Rand befehligte die Ritter und Soldaten, die den Ortskern erobern sollten. Die Schenke wurde in Brand gesetzt, und die dichten Rauchwolken versetzten die wenigen Frauen und Kinder, die sich noch hier aufhielten, in Panik. Die Waliser leisteten erbit terten Wide r stand, hatten gegen die Übermacht je doch keine Chancen. Noch bevor die Sonne im Zenit stand, hatten die Engländer das Dorf erobert, aller dings einen hohen Preis dafür bezahlt: neun Tote, elf Verletzte. Die Gegner hatten aber vierzehn Tote und zweiundzwanzig Verletzte zu beklagen, und dreiundsechzig Mann waren gefangen genommen wor den. Es war ein übe r zeugender Sieg für Rand.
Josselyn erfuhr die Neuigkeiten von Nesta, die nun doch in Afon Bryn Zuflucht gesucht hatte, wo die Empörung groß war. Alle verfluchten die Engländer und schworen blutige Rache. Sogar Rhys und Rhonwen waren sich ausnahmsweise einig, dass der Feind ausgerottet werden musste.
Nur Josselyn ließ sich nicht von diesem Hass anstecken. Sie konnte Rand nicht hassen… Als Patrio tin hätte sie wünschen müssen, dass er bei dem Angriff auf ihr Dorf ums Leben g e kommen war, doch statt dessen betete sie inbrünstig, dass ihm nichts pas siert sein möge. Während sie Isolde in ihrem Schla f zimmer die Brust gab, kreisten ihre Gedanken nur um Rand. Würde sie irgendwann Gelegenheit haben, ihm zu sagen, dass er eine Tochter hatte?
Bei Einbruch der Abenddämmerung galoppierte Owain w ü tend durch Afon Bryn, stürmte in die Halle, fluchte laut und brüllte laut nach Essen und Ale. Agatha und Meriel eilten herbei, um ihn zu bedienen. Alle anderen ergriffen die Flucht, sofern ihnen das möglich war. Josselyn wähnte sich in Siche r heit, bis Meriel, ohne auch nur anzuklopfen, in ihr Zimmer stürzte.
»Er möchte dich sehen, und du solltest ihn nicht warten la s sen«, verkündete sie mit einem Kichern, das sich bedrohlich anhörte.
»Wozu will er mich sehen?«
»Diese Frage wird er dir besser beantworten kön nen als ich. Oh, und er hat gesagt, dass du sie mit bringen sollst.« Meriel deutete auf Isoldes Wiege.
»Sie schläft«, protestierte Josselyn mit lautem Herzklopfen.
Meriel lächelte und bleckte dabei ihre langen bräunlichen Zähne. »Gut, dann bleibe ich eben hier und passe auf sie auf, während du dich mit Owain unterhältst.«
Bis jetzt hatte Josselyn nie befürchtet, dass die Frau ihrer Tochter etwas zu Leide tun würde. Meriels hämisches Grinsen war ihr jedoch unheimlich. Deshalb nahm sie Isolde lieber mit.
Was mochte Owain von ihr wollen? Noch nie im Leben hatte sie sich so gefürchtet. Der Mann war gefährlich und gänzlich unberechenbar. Wieder schwor sie sich, so schnell wie irgend möglich dieses Haus zu verlassen.
»Ich werde dich in Sicherheit bringen«, flüsterte sie ihrer schlafenden kleinen Tochter ins Ohr. »Ich werde dich beschü t zen, und notfalls bringe ich dich sogar zu deinem Vater.«
Schon auf der Treppe hörte sie Owains Gebrüll. »Bist du taub? Hast du nicht gehört, dass ich dir befohlen habe, sofort zu verschwinden?« Ein erstick ter Schrei folgte, und gleich da r auf rannte Agatha weinend an Josselyn vorbei, eine Hand auf ihre blu tenden Lippen gepresst.
Zitternd betrat Josselyn die Halle. Vielleicht hätte sie Isolde doch Meriels Obhut überlassen sollen? Aber jetzt war es zu spät. »Komm her!«, befahl Owain. »Ich habe eine
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