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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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wollte Alejandro schon sagen, denn es würde Herrn Lionels Eingeweide wie Lehm zusammenklumpen lassen und seine Gicht erheblich verschlimmern. Doch er enthielt sich dieses Kommentars, denn plötzlich war ihm etwas in den Sinn gekommen. » Vielleicht würde Euer Lord gern eine zweite Diagnos e e inholen «, sagte er statt dessen. » Ich würde mit Freuden eine stellen, natürlich nur mit de Chauliacs Zustimmung. «
    Eifrig fing der junge Mann den Köder auf, und Alejandro bewunderte seine abenteuerlustige Natur und seinen Wissensdurst. Er ermahnte sich, die große Chance, die sich ihm bot, nicht zu vergeuden, sondern weise und zu seinem Nutzen zu gebrauchen. » Ihr wollt ein Wortschmied werden, mein Freund; findet also die notwendigen Sätze, um Eurem Herrn die Erleichterung zu verschaffen, nach der er sich sehnt. «
    Chaucer nahm die Herausforderung an. » Gesagt, getan «, erwiderte er mit Elan. » Ich werde dafür sorgen. «
    Alejandro straffte die Schultern und dachte, wie wundervoll es sein würde, die Eingeweide von Isabellas jüngerem Bruder zu verstopfen. Seine Bemühungen, sie bei den Plantagenets in England durchlässig zu erhalten, waren kaum geschätzt worden. Aber diesmal würden seine Dienste nicht unbemerkt bleiben.
     
    A lejandro bekam erst Gelegenheit, mit Guillaume Karle zu sprechen, als das Diner beendet war und die ächzenden, überfütterten Gäste endlich betrunken die lange Tafel verließen. Er hatte seinen eigenen Becher kaum angerührt und mit angespannter Geduld darauf gewartet, daß de Chauliac sich in anderweitige Gespräche einließ. Und obwohl dessen Wachen ihn scharf ihm Auge behielten, würden sie sich nichts dabei denken, wenn er unter vier Augen mit einem der anderen Gäste sprach.
    Interessiert beobachtete er, wie de Chauliac den Alchimisten Flamel beim Arm nahm und aus dem Raum führte. Sie gingen die Treppe hinauf zu dem Teil des Hauses, in dem seine eigene Kammer lag. Und er machte sich etwas beunruhigt den wahrscheinlichen Zweck ihres Verschwindens klar – de Chauliac würde diesem Flamel die Handschrift zeigen. Für einen kurzen Moment war er in schrecklicher Versuchung, ihnen zu folgen – zu hören, was der Alchimist zu der Schrift Abrahams sagen würde. Doch er durfte die Gelegenheit nicht verpassen, mit Karle zu sprechen, solange sein französischer Kerkermeister ihn nicht beobachtete.
    Marcel war in eine etwas trunkene und sehr leidenschaftliche Diskussion mit einem der anderen Gäste vertieft und kümmerte sich nicht um seinen » Neffen «. Alejandro nahm etwas unsanft dessen Arm und steuerte ihn in die Vorhalle. Die Wachen behielten ihn im Visier, griffen aber nicht ein.
    Als er annahm, daß sie außer Hörweite waren, zischte er: » Was ist mit ihr? Sprecht! «
    » Beruhigt Euch, Arzt «, sagte Karle, » und lockert Euren Griff! Wenn Ihr noch fester zudrückt, werdet Ihr meinen Arm kurieren müssen. «
    Alejandro ließ ihn los. » Da habt Ihr Euren Arm zurück, aber redet jetzt endlich. Und zwar zügig, denn wir haben vielleicht wenig Zeit. «
    Karles Stimme klang dringlich. Während er sprach, schaute er wiederholt über Alejandros Schulter. » Sie ist ganz wohlauf, das versichere ich Euch. Wir suchen ständig nach Euch! «
    » In der Rue des Rosiers? Unter dem Schild der Fromagerie? «
    » Genau dort. «
    » Sie hat sich also erinnert, auch nach diesen vielen Jahren. «
    » In der Tat! Besser als Ihr, scheint mir – wo Ihr doch hier in so großer Nähe seid! « beschwerte Karle sich. » Warum seid Ihr nicht gekommen? «
    Alejandro starrte ihn ungläubig an. Seine Miene wurde hart vor Zorn. » Seht Ihr denn nicht, daß ich ein Gefangener bin? « flüsterte er.
    » Ich sehe Euch nicht in Ketten. «
    Alejandro neigte den Kopf in Richtung Tür, wo die Wachen standen. » Er hat mich mit menschlichen Ketten gefesselt! Glaubt Ihr nicht, daß ich kommen würde, wenn es mir möglich wäre? «
    Karle erwiderte den zornigen Blick. » Woher soll ich wissen, was Ihr tun oder nicht tun würdet? «
    » Meine Tochter wüßte es! Hat sie Euch nicht erzählt, daß ich ihr vollkommen ergeben bin? «
    » Viele Male. Und sie spricht auch davon, die sie Euch ergeben ist. In dieser Hinsicht braucht Ihr Euch also nicht zu sorgen. «
    Alejandro trat dichter an Karle heran, und seine Miene war jetzt noch bedrohlicher. » Sollte ich mich denn in anderer Hinsicht sorgen? «
    Karles kaum merkliches Zögern entging Alejandro nicht.
    » Nun? « bohrte er.
    » Nein. Sie ist wohlauf und glücklich.

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