Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
aber dann zuckt sein Mundwinkel ein wenig. Das ist für den Papa das Signal, dass sein neuer Freund noch ansprechbar ist.
» Wo schlafst denn du eigentlich?«, fragt er mit besorgter Stimme.
» Hä?«, fährt Eichelmann erschrocken hoch.
» Mir ham leider keine Gästezimmer«, erkläre ich ihm. Das tue ich auch, um diesem sonderbaren Gast klarzumachen, dass jetzt wirklich endlich mal Schluss ist. Ich bin saumüde, und für den Papa wird es auch langsam spät.
» Ach so«, murmelt er.
» Aber wennst magst, dann kannst du gern … also, in meiner Scheune steht a Sofa, das gar ned amoi so unbequem …«, beeilt sich der Papa zu sagen, der offensichtlich Angst hat, dass der Abend mit seinem neuen Freund schon zu Ende ist.
» Oder ich schlaf einfach hier«, nuschelt der Eichelmann und kippt so abrupt zur Seite, wie er eben hochgefahren ist. Nun liegt er seitlings auf der Bank.
» Aber des Sofa is wirklich …«
» Nee, schon in Ordnung …«, murmelt Eichelmann.
» Aber dann kannst amoi die Destille oschaung«, sagt der Papa. In seiner Stimme mischen sich Verzweiflung und Müdigkeit, auf eine Weise, dass man ihn sofort in den Arm nehmen will.
Der Eichelmann hört das schon nicht mehr. Sein Mund steht leicht offen, und er schnarcht leise.
4
Am nächsten Morgen weckt mich eine Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Zuerst denk ich natürlich an das Omilein, denn es ist allerspätestens sieben Uhr, und wenn um die Zeit irgendwer Krach macht, dann ist das normalerweise sie. Als ich jedoch genauer horche, merke ich, dass das, was da unverständlich vom Parkplatz hinauf durch das angelehnte Fenster schallt, gar keine Frauenstimme ist.
Sekunden später habe ich mich aus dem Bett gewuchtet und sehe hinaus. Und dann erkenne ich ihn: Quirin Eichelmann, der vor dem Gasthaus auf und ab marschiert. Mit der einen Hand hält er den Kragen seines zerknitterten Tweedjackets zu, denn es ist Herbst und morgens schon ganz schön kühl. In der anderen hält er sein Handy, in das er mit einer Energie spricht, die ich bis jetzt allenfalls aus Achtzigerjahre-Filmen kannte, die an der Wall Street spielen, und die, angesichts dessen, was der Kerl gestern alles die Kehle hinabgestürzt hat, nicht ganz unbeeindruckend ist.
Immerhin scheint er sich umgezogen zu haben, denn er hat eine neue Krawatte um den Hals. Auf seiner Nase sitzt eine riesige Pilotenbrille.
Würde mich ja schon interessieren, was der da unten redet.
Vorsichtig öffne ich das Fenster. Leider ist das Quietschen der Angeln so laut, dass Eichelmanns Blick unmittelbar zu mir hochfährt. Ich erröte leicht und winke schüchtern. Er hebt die Hand und winkt zurück, bevor er auf sein Handy zeigt und mir so zu verstehen gibt, dass er gerade telefoniert. Als könne ich das nicht selber sehen.
» Ja, total sicher«, sagt er in den Apparat und fängt mit der freien Hand an, sich im Widerschein seines Daimler die Glatze zu frisieren.
» Lass mich halt mal machen!«, sagt er und nestelt an seinem Krawattenknoten herum.
» In Kreuzberg!«, sagt er und sieht auf die Armbanduhr.
» Nee, nicht in Mitte. Mitte ist over!«, sagt er, und als er sieht, dass ich immer noch am Fenster stehe: » Hey, Jo, ich muss jetzt aufhören, okay? Alles klar, ich melde mich.«
Er beendet das Gespräch, atmet einmal tief ein und aus, nimmt die Sonnenbrille ab, schirmt seine Augen ab und blickt wieder hoch zu mir.
» Morgen, Fanny!«, ruft er und winkt mir lachend zu.
Sieh an, er erinnert sich an meinen Namen. Und das, wo es doch eigentlich bereits ein Wunder ist, dass er überhaupt schon wieder stehen kann, geschweige denn wie ein Elitesoldat auf und ab zu schreiten. Was der Mann wohl beruflich macht? Ich habe mich das gestern Abend nicht gefragt, aber seiner Performance nach zu urteilen ist er professioneller Trinker.
» Morgen!«, antworte ich und warte ab.
» Fanny, ich bin so froh, dass ich dich sehe. Kannst du mir einen Kaffee besorgen? Ich sterbe sonst. Bitte!«
Als ich nach einer mittelschnellen Dusche herunterkomme, bekomme ich gerade noch mit, wie das Omilein versucht, den Eichelmann dazu zu überreden, sie zur Apotheke zu bringen.
» Fußbalsam! Jetzt! Späder is koa Zeit ned!«
» Omilein«, weise ich sie zurecht. » Geht’s no? Du kannst doch ned deine Gäste so umeinanderkommandieren!«
Die Omi flucht und nimmt mir das Versprechen ab, dass ich dafür nachher die Tour übernehme. Dann verschwindet sie in der Küche, um schon mal das Kraut zu hobeln, das es nachher zum
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