Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Breznkönigin: Roman (German Edition)

Die Breznkönigin: Roman (German Edition)

Titel: Die Breznkönigin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
Vom Netzwerk:
an, die dem Eichelmann gegenüber im Präsidium sitzt und bis jetzt noch kein Wort gesagt hat.
    » Genau, Mama, wie siggst denn du des?«, fragt der Papa, wohl in der Hoffnung, dass das Thema vielleicht ganz fix aus der Welt zu schaffen ist.
    Das Omilein schweigt, legt den Kopf schief und betrachtet den Teller mit den Keksen. Dann zieht sie die Schultern in die Höhe.
    Alle sehen sie an.
    » Von mir aus«, sagt sie mit ergebener Stimme.
    Und dann richten sich alle Blicke am Tisch auf mich.
    » Da hörstas«, sagt die Mama und verschränkt die Arme.
    Ich will tief Luft holen, aber irgendwie arbeiten meine Lungen nicht. Ich? Nach Berlin? Wirklich? Ich wollte immer weg, klar, und ich bin meiner Familie mehr als einmal auf die Nerven gegangen mit meinen Ausbruchsfantasien. Aber ich hab höchstens von einer Stelle in einem Juweliergeschäft in München geträumt. Gut, und hin und wieder heimlich davon, nach Italien zu ziehen. Prinzipiell klingt das, was der Eichelmann da sagt, ja nicht schlecht … aber wenn ich gerade versuche, darüber nachzudenken, ist es, als würde mir das Hirn ausgeknipst. In meinem Kopf ist es stockduster, kein noch so winziges Lichtlein leuchtet mir den Weg.
    Die Mama sagt etwas, aber ich sehe nur pink geschminkte Lippen, die sich in einem fort bewegen. Einzelne Silben dringen an mein Ohr, ohne dass ich irgendetwas verstehe.
    Plötzlich weiß ich, dass ich Luft brauche. Klare, frische Luft.
    Ich stehe so schwungvoll auf, dass ich fast den Stuhl umschmeiße, und werfe einen langen, hilflosen Blick in die Runde.
    Dann stürze ich durch die Tür.
    Ich sitze unten am Ufer des Weihers, dort, wo ich mich schon als Kind oft versteckt habe, wenn ich meine Ruhe haben wollte oder einfach nicht wusste, wohin. Aus der Ferne höre ich meine Mutter rufen, aber ich weiß, dass sie mich nicht sieht. Ich sitze hinter dem morschen Kahn, der dort seit Jahrzehnten umgedreht liegt. Er ist so löchrig, dass er im Wasser wahrscheinlich wie ein Stein untergehen würde. Ich habe die Schuhe und die Socken ausgezogen, stupse mit dem großen Zehen ganz leicht die Wasseroberfläche an, und sehe zu, wie sich die Wellen in immer größer werdenden Ringen ausbreiten.
    Alle großen Sachen haben immer nur eine ganz kleine Ursache. Das Weltall, Veränderungen, Schwangerschaften.
    Der Golf meiner Mutter heult auf, dann höre ich, wie er sich langsam entfernt. Ich atme auf. Ich hatte schon befürchtet, sie würde heute den ganzen Tag blaumachen, so lange, bis sie mich gefunden und überredet hat, nach Berlin zu gehen.
    Ich hasse es, wenn sie mich überredet. Das hier muss ich selbst entscheiden. Es geht ja schließlich um mein Leben und nicht um ihres.
    Klar, sie hat natürlich recht. Ich wollte immer weg, und ich wundere mich selbst darüber, dass ich jetzt, da sich diese Tür öffnet, so panisch reagiere. Ich meine, es ist eine Irrsinnschance, vielleicht die Chance meines Lebens. Aber andererseits: Berlin? Geht’s noch eine Nummer größer? Außerdem wollte ich weg, um meinen eigenen Schmuckladen aufzumachen und nicht, um gleich wieder in einem Wirtshaus zu buckeln. Im Wirtshaus buckeln kann ich auch hier, dazu muss ich doch wirklich nicht nach … nach … Westpolen!
    Hinter meinem Rücken höre ich, wie sich jemand langsam nähert, aber ich drehe mich nicht um. Es ist das Omilein, das spüre ich ganz genau. Es kann nur das Omilein sein. Sie ist die Einzige, die meine Verstecke kennt. Sie ist die einzige, die mich kennt. Außerdem erkenne ich ihre Schritte.
    » Fanny«, sagt sie, als sie direkt hinter mir ist. Sie flüstert fast, und ich sehe nun doch zu ihr hinauf. Wie sie da steht, in ihrem Kochschurz, auf ihren dünnen, knochigen Beinen. Von hier unten kann man durch die Stützstrumpfhose hindurch die Härchen an ihren Waden sehen, weshalb ich mich bemühe, schnell wieder in ihr Gesicht zu blicken.
    » Kimm amoi auffi«, sagt sie mit sanfter Stimme und winkt mich zu sich hoch. » Wenn i mi da unten hi setz, kriegts ihr mi bloß no mit Hilfe der Feuerwehr auf die Fiaß.«
    Sie deutet auf ihren Rücken, und mir wird schmerzhaft bewusst, wie alt sie inzwischen schon ist. Die liebe Omi.
    Ich schlüpfe zurück in meine Socken und Schuhe und komme wieder auf die Beine. Dann lehnen wir uns nebeneinander an den Kahn und blicken auf den See.
    » Na, Fanny?«, fragt sie nach einer Weile.
    » Ach, Omilein. I woaß ned. Findst du wirklich, dass des so a grade Idee ist? Die Minghartinger Stuben in Berlin?
    » Fanny, i hab koane Ahnung«,

Weitere Kostenlose Bücher