Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Erstes ins Wirtshaus, oder?«, fragt er und wirft sich auf den Fahrersitz.
» Logisch«, sage ich, obwohl ich nichts dagegen gehabt hätte, mich erst einmal zu duschen und umzuziehen. Denn erstens sind der Papa und ich aus lauter Panik, den Flug zu verpassen, viel zu zeitig los. Drei Stunden habe ich auf dem blöden Terminal 1 gewartet, bis endlich Zeit zum Einchecken war. Zweitens habe ich jetzt, da ich im Auto sitze, das ungute Gefühl, nach Fleischpflanzerln zu riechen. Und drittens interessiert mich meine neue Bleibe natürlich auch riesig. Der Quirin wird mir nämlich seine alte Wohnung überlassen, die er immer wieder untervermietet, weil er den schönen, spottgünstigen Mietvertrag nicht aufgeben mag – angeblich ein riesiges ausgebautes Dachgeschoss ganz in der Nähe der neuen Minghartinger Stuben. Ein Bett und einen Esstisch hat er mir auch schon organisiert, Einbauschränke und Küche sind ebenfalls drin. Das hat den Vorteil, dass mein ganzer Hausrat erst einmal in Bayern bleiben kann und ich nicht den ganzen Stress auf einmal habe. Organisation scheint ja überhaupt Quirins großes Ding zu sein. Ich meine, wie lange ist das her, dass er eines Abends in unserem Wirtshaus aufgetaucht ist? Ein halbes Jahr. Und nächste Woche ist schon der 3. März und damit Eröffnung.
» Also dann, auf geht’s«, sagt er, lockert seinen Krawattenknoten und steigt so dermaßen aufs Gas, dass der Typ mit Schnauzbart und Schiebermütze, der gerade über die Straße will, einen großen Satz zurück auf den Bordstein macht. Ich quietsche vor Schreck, aber Quirin lacht nur.
» Hipster-Versenken!«, ruft er.
» Hier?«, frage ich, als wir in einer belebten Straße halten – direkt vor einem Trödelladen, in dessen Schaufenster jede Menge orangefarbenes Plastikzeugs steht, Tischlampen aus den Siebzigern, Butterdosen, so Kram.
» Hier«, sagt Quirin und steigt aus dem Wagen.
Ich steige ebenfalls aus und sehe mich um. Das ist also Kreuzberg. So so.
Eigentlich ganz hübsch, das Viertel: Altbauten und hohe Platanen säumen die Straße, dazwischen stehen das ganze Trottoir hinab Tische und Stühle. Es ist ungewöhnlich warm für die Zeit, und jetzt wirkt es fast so, als sei die ganze Straße ein einziges großes Café. Was sie ja irgendwie auch ist. Menschen mit windschiefen Frisuren sitzen vor Tassen und Gläsern, blinzeln in die Sonne und scheinen eine rechte Gaudi zu haben. Die meisten sind auf eine Art und Weise angezogen, dass man sie bei mir daheim auf dem Land direkt komisch anschauen täte mit ihren knöchelhohen Chucks, hautengen Hosen und riesigen Sonnenbrillen. Spatzen hüpfen von Tisch zu Tisch. Ein junger Typ auf einem Rennrad schlängelt sich durch das Gewusel auf dem Bürgersteig auf uns zu, er hat ein Trucker-Käppi auf dem Kopf und riesige, neonfarbene Kopfhörer um den Hals, die ihm anscheinend die Sicht blockieren, denn ich muss einen Satz zur Seite machen, damit er mich nicht umfährt.
» Ja, so eine Wildsau! Obacht!«, rufe ich.
» Haba keina Bremsa, sorry!«, sagt er mit einem Akzent, der spanisch oder portugiesisch oder sonstwas ist, dann ist er um die Ecke verschwunden.
Keine Bremsen, das passt ja zu der Gegend, denk ich noch und sehe ihm kopfschüttelnd hinterher, da berührt mich Quirin an der Schulter und holt mich ins Hier und Jetzt zurück.
» Komm, wir nehmen den Kücheneingang«, sagt er.
» Ich will erstmal von außen schauen«, sage ich, aber der Quirin schnappt sich meine Hand und zerrt mich mit sich.
» Hintenrum ist spannender«, erklärt er und grinst. Dann sperrt er die Haustür eines ziemlich heruntergekommenen Altbaus auf. » Hier entlang, bitte.«
Na ja. Das Wort » Kücheneingang « trifft es nicht ganz, selbst wenn man die Minghartinger Stuben zum Vergleich hernimmt, die originalen, meine ich. Wir betreten einen miefigen Durchgang, in dem zerschlagene, alte Fliesen auf dem Boden liegen und jeder einzelne Briefkasten zerdellt oder sogar aufgebogen ist. Links geht ein schummriges Treppenhaus ab, danach kommen wir in einen Hinterhof voller Mülltonnen und Fahrräder. Ich ducke mich unter einer voll behängten Wäscheleine hindurch und folge Quirin nach rechts und schließlich durch eine Tür, die so schwer ist, dass er sich dagegenstemmen muss, um sie aufzukriegen. Endlich treten wir ein.
Oha.
Nicht übel.
Überhaupt nicht übel.
Also, sagen wir es so: Dass unsere Küche im Wirtshaus ein bisschen, äh, grattlig ist, wusste ich natürlich. Sie besteht nämlich größtenteils aus
Weitere Kostenlose Bücher