Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Helle hin und den beiden Asiatinnen, die ich vorhin zu Tisch sieben gebracht hab, endlich ihre Speisekarten.
» Tut mir leid. Bittschön«, sage ich, schlage die glänzenden Mappen auf und reiche sie ihnen über den Tisch, woraufhin beide leicht erröten.
» Excuse me …«, sagt die kleinere (obwohl jetzt natürlich alle beide keine Brigitte Nielsens sind, längenmäßig, meine ich), und die andere hält sich die Hand vor den Mund und kichert.
» Yes?«, sage ich.
» Can you translate, please?«
» Of course!«, sage ich, lächle und verfluche im Geiste den Quirin dafür, nicht von Anfang an daran gedacht zu haben, dass man in Berlin, und vor allem in Kreuzberg, ganz unbedingt englische Speisekarten braucht. Ungefähr die Hälfte unserer Gäste sind irgendwelche jungen Leute aus Amerika, Skandinavien oder sonst woher, die für ein paar Wochen oder Monate in Berlin herumhängen, um Kunst zu machen oder Bücher zu schreiben oder sich einfach nur darüber zu wundern, wie billig ihre Miete ist. Und weil kaum einer von denen mehr als » bitte«, » danke« oder » Scheiße« in unserer schönen Landessprache sagen kann, muss ich ungefähr neunundsiebzig mal am Tag die Speisekarte erklären. Und das wäre deutlich einfacher, wenn es sich a) um Nudelgerichte oder Pizzavariationen handeln würde und nicht um Gerichte wie ausgebackene Wollwurstradl an Linsensalat, und wenn b) meine Aussprache nicht so saumäßig sakrisch wäre.
» You know, we have already ordered English menues, but they haven’t arrived yet.«
Jetzt kichern beide, und ich spüre, wie eine mittelschwere Röte nun mein Gesicht überzieht. Mit Fremdsprachen und den Bayern ist es ja so: Es gibt da zwei Gruppen. Zum einen die, die auf Deutsch nicht mal ihren eigenen Namen dialektfrei aussprechen können, aber dann auf Englisch so perfekt und akzentfrei parlieren, als wären sie schon in Oxford in den Kinderhort gegangen. Leider bin ich eine typische Vertreterin der Gruppe zwei. Mein Hochdeutsch ist eigentlich einigermaßen ordentlich, zumindest wenn ich mich ein bisschen bemühe. Aber sobald ich versuche, Englisch, Französisch oder Italienisch zu sprechen, klingt es immer gleich, nämlich so, als würde ich Bayerisch reden.
Meinen Italienisch-Unterricht an der Volkshochschule habe ich übrigens aus eben diesem Grund wieder aufgegeben. Ich klang in Kurs A 2.2 immer noch wie Gisela Schneeberger in Man spricht deutsch.
Aber auch das gehört zu den Lektionen, die man als Wirtstochter lernt: Man darf sich nicht einschüchtern lassen, nie.
» Okay, the first thing you see on the menue is a soup with a special type of Bavarian noodles, they contain liver, very good. Next is the Pichelsteiner, that’s a stew of mixed vegetables and meats …«
Ich erzähle mir einen Wolf, ohne mir ganz sicher zu sein, ob die beiden nur höflich sind, oder ob sie mich wirklich verstehen. Und, tatsächlich: Als ich ihnen schließlich ihre bestellte Leberspätzlesuppe bringe, kriegen sie knödelgroße Augen und zücken ihre Kameras – Riesenteile, die aussehen, als würden sie sonst damit bei der Champions League am Spielfeldrand stehen. Und als sie ihre Teller fotografiert haben, knipsen sie gleich auch noch mich.
» Hey, you’re tourists?«, frage ich. » Where are you from?«
» Korea«, nicken sie einvernehmlich. » We’re foodbloggers!«
Da muss ich laut lachen. Und weil Asiaten prinzipiell ja eher höflich sind, stimmen beide mit ein, freilich ohne zu kapieren, was genau jetzt der Witz ist. Und noch weniger verstehen sie, was eigentlich Sache ist, als ich mich von ihrem Tisch entferne und hinterm Tresen verschwinde, um ihnen kurz darauf zwei Kurze vor die Nase zu stellen.
» Apricot Brandy. It’s on the house«, sage ich.
Die beiden schauen ihre Stamperl verunsichert an.
» Drink!«, sage ich.
Sie nippen ein Milliliterchen und verziehen prompt angewidert das Gesicht. Mei, stellen die sich an. Unglaublich. Über Food bloggen und dann nicht trinken können.
» In one go«, sporne ich sie an. » Ex oder nie mehr Sex, like we Bavarians say!«
Die Mädchen zögern, dann nicken sie sich zu, schließen die Augen und kippen den Marillenschnaps hinter. Als sie wieder aufschauen, gucken sie drein, als würden sie Sternchen sehen. Die beiden schwedischen Jungs am Nachbartisch prusten los, ich lache und frage die beiden, ob sie ebenfalls einen mögen. Mögen sie, und als ich wiederkomme und ihnen ihre Gläser bringe, entdecke ich, dass Asien und Nordeuropa ins
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