Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
nicht, wie man da jetzt richtig reinschlüpft. Blusen aus komischen Materialien, Hosen mit Reißverschlüssen an Stellen, an denen man es nicht vermuten würde. Oder hier, seit dem Kindergarten nicht gesehen: ein weit schwingender Hosenrock, der bis zu den Waden geht. Oder da, diese lackierten Leggings. Nur aus Neugier linse ich auf das kleine Preisschild, das mit einer winzigen Sicherheitsnadel am Wäschelabel befestigt ist: 499 Euro. Ich vergewissere mich noch einmal, aber nein, kein Irrtum, das Ding hängt tatsächlich an den Leggings, und nicht an dem Spitzenkleid daneben. Auf dessen Preisschild schau ich erst gar nicht.
Und der Verkäufer guckt schon wieder so komisch herüber. Besser, ich verschwinde hier wieder und suche mir doch einfach eine Esprit-Filiale.
Aber ehe ich mich dazu entschließen kann, steht der Verkäufer schon wieder vor mir.
» Suchst du was Bestimmtes?«, fragt er.
» Naa, es is bloß …«
» Hochzeit? Vorstellungsgespräch? Frisch getrennt?«
Ich schüttle den Kopf. » Naa, es is nur …« Ich winke ab.
» Date?«
Ich schweige.
» Ein Date.« Er grinst und verschwindet.
Gratulation. Das war ja mal wieder total unauffällig.
Missmutig stöbere ich weiter. Ausgerechnet jetzt plötzlich zu gehen, sähe irgendwie auch komisch aus.
Ich ziehe eine Schlaghose aus Strick von der Stange, total zerfetzt, mit mehr Laufmaschen dran als Hose.
Langsam frage ich mich ja ernsthaft, unter welcher Psychose man leiden muss, um solche hirnrissigen Fummel zu designen. » Damenoberbekleidung« kann man das Zeug wirklich nicht nennen. Lackierte Leggins? Laufmaschenhosen? Geht’s noch?
» Probier mal das hier!«
Oh no. Der Verkäufer taucht wieder vor mir auf und hält mir ein Kleid vor die Nase.
» Äh, also«, sage ich und betrachte den Fummel in seinen Händen. Was soll ich jetzt sagen? Dass ich eigentlich gar nichts kaufen will?
Er schwenkt den Bügel hin und her. Das Kleid, das daran hängt, ist aus grauem Flanell und sieht, wenn man ehrlich ist, eigentlich ganz nett aus. Es ist hochgeschlossen und schlicht.
Also gut.
» Oiso guad.«
Ich verschwinde in einer der Umkleidekabinen, schäle mich aus meinen Jeans, ziehe das Kleid über und starre mich im Spiegel an.
» Naa«, flötet der Verkäufer von draußen. » Wie ist es? Lass mal sehen!«
Muss das sein?
Unsicher trete ich aus der Umkleide, mache ein paar Schritte auf den mannshohen Standspiegel zu und betrachte mich.
Der Verkäufer betrachtet mich auch. Dann zuppelt er ein bisschen an mir herum und betrachtet mich noch einmal.
» Also, ich weiß nicht«, sage ich und schaue ihn an.
Er starrt ziemlich lange auf den Spiegel, bevor er den Kopf schüttelt.
» Du hast recht«, sagt er.
Ich sehe aus wie eine komische Witwe, die aus einem Karl-Valentin-Film abgehauen ist.
» Aber der Anhänger, den du da umhast, der ist echt hübsch!«, fügt er hinzu.
» Danke«, sage ich und mache ein Gesicht, das ihm sagen soll: Schleimen ist jetzt echt nicht nötig, ich halte das schon aus.
» Ich mein das so! Wo hast du den her?«
» Ich hab mal Goldschmiedin gelernt«, sage ich und ziehe eine Grimasse.
» Sehr schön«, sagt er. » Wirklich.«
Dann scheucht er mich zurück in die Umkleide und bringt mir ein anderes Kleid, diesmal ein gemustertes aus Samt ohne Träger. Ich muss mich gar nicht erst im Spiegel ansehen, um zu wissen, dass ich darin aussehe, als hätte man mich in einen alten Teppich gewickelt, um mich darin möglichst unauffällig auf die nächste Müllhalde zu transportieren.
Ich trete trotzdem damit aus der Kabine, und der Verkäufer legt sich nachdenklich den Finger ans Kinn.
» Nein«, gesteht er schließlich, und ich trolle mich wieder hinter meinen Vorhang. Wusst ich’s doch.
» Aber jetzt hab ich was, das steht dir garantiert!«, ruft er von draußen herein.
Über das Kleid, das er mir als Nächstes bringt, schweige ich am besten.
» Na ja«, lächelt er, als ich darin vor ihm stehe. Langsam bemerkt man, wie seine eisern gute Stimmung langsam einknickt.
Ich meine, es ist gar nicht so, dass ich keine Geranien vorm Balkon hätte, also bildlich gesprochen. Ganz im Gegenteil. Und ich hab eigentlich auch einigermaßen lange Beine und einen ganz netten Schwung in der Hüfte. Das Problem hat also nicht viel mit meiner Figur zu tun, die ist echt in Ordnung. Es liegt eher in der Art, wie ich mich halte, wie ich gehe und stehe. Ich bin auf dem Dorf groß geworden. Statt als kleines Mädchen zu üben, wie man sich möglichst
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