Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
du nicht nur im Bauch gespürt, sondern überall, sogar in den Ohrläppchen. Plötzlich waren überall schwule Männer um uns herum, die sich zum Teil recht unverblümte Blicke zugeworfen haben. Einmal hab ich in einer dunklen Ecke sogar ein Pärchen bei einer recht eindeutigen Aktion entdeckt. Es war auf alle Fälle krass. An den Rest kann ich mich nicht mehr so recht erinnern.
Aua. Ich bin echt beisammen wie ein Packerl Kunsthonig. Dieses Kopfweh!
Ich wimmere leise, drehe mich auf die andere Seite – und blicke direkt in Tinos weit geöffnete Augen, die sich jetzt zu kleinen, freundlichen Schlitzen zusammenziehen. Er lächelt belustigt.
» Morgen«, murmle ich entkräftet.
» Naa, ausgeschlafen?«
» Geht so«, sage ich und verziehe leicht das Gesicht, um zu unterstreichen, dass es eigentlich eher nicht so geht.
» Dabei ist es schon vier Uhr.«
» Nachmittags?«
» Nachmittags.«
» Um Gottes Willen, ich muss ja gleich schon wieder zur Arbeit!«
Ich sehe ihn entsetzt an.
» Tja, das passiert halt, wenn man die ganze Zeit nur noch tanzen will«, zieht der Tino mich auf.
» Ha ha. Ich tanze nie«, sage ich und versehe ihn mit einem empörten Blick.
» Ach so? Soll ich dir Beweise zeigen?«, dringt Tinos Stimme zu mir.
» Was für Beweise?«, knurre ich.
Verarschen kann ich mich fei nämlich selber.
Er grinst, dreht sich um und kramt sein iPhone hervor, wischt darauf hin und her und hält es mir dann hin. Ich starre auf den Bildschirm, und er zieht das Foto auseinander und vergrößert es damit.
» Lösch das sofort«, sage ich.
Tino kichert.
» Und überhaupt, ich dachte, dass im Berghain Fotografieren verboten ist!«
» Was keiner sieht …«, sagt er glucksend.
Ich betrachte das Bild genauer. Ich sehe aus, als hätte man mir ein Stromkabel in den Hintern geschoben: die Augen weit aufgerissen, der Mund ein verzerrtes Grinsen, und meine ohnehin schon immer chaotischen Haare stehen mir in alle Richtungen vom Kopf ab.
» Habt ihr mir was in den Drink gerührt?«, frage ich bestürzt.
Der Tino gluckst schon wieder so blöd.
» Ihr habt mir was in den Drink gerührt?«
Ich funkle ihn wütend an.
» Schatz«, sagt er mit beruhigender Stimme. » Du hast dir selber was in den Drink gerührt.«
» Wie bitte?«
Mein Herz macht einen Aussetzer.
» Du hast den ganzen Abend von Freiheit geredet, und davon, dass Berlin dich so frei macht, und dass du jetzt unbedingt endlich mal Ecstasy probieren willst!«
» Ich? Ecstasy? Kann überhaupt gar nicht sein!«, rufe ich entsetzt.
Wobei … ganz eventuell kann es vielleicht doch sein. Tatsächlich taucht eine ganz, ganz dunkle Erinnerung auf, da war irgendeine weiße Substanz, die … o Gott.
» Doch«, sagt Tino.
» Und ihr habt mir welches gegeben?«
Tino schüttelt den Kopf.
» Ich hab sogar noch versucht, dich davon abzubringen. Aber du hast dir so überhaupt nicht mehr reinreden lassen, dass du zu so einem schwulen Pärchen in Latexhöschen gegangen bist, das ganz offensichtlich total drauf war, und die hast du drum gebeten.«
Ich erröte.
» Und?«
» Die beiden hatten ein Briefchen MDMA im Schlüpfer und haben dir eine Fingerspitze davon gegeben.«
Lecko mio.
Aber tatsächlich: Nun sehe ich es wieder vor mir. Eine Fingerspitze mit weißem Pulver, die sich meinem Mund nähert und total bitter auf meiner Zunge schmilzt.
Ich verziehe angeekelt das Gesicht, als ich dran denke. Jetzt fällt mir auch ein, dass ich an der Bar einen Jägermeister bestellt hab gegen den widerlichen Geschmack. Und dann noch einen.
» Mach dir nichts draus«, sagt der Tino tröstend. » Das gehört dazu.«
» Zu was?«, frage ich zynisch. » Zum Ausgehen?«
» Zum Leben! Das sind alles Erfahrungen! Das macht dich alles reicher.«
Reicher? Wie soll man sich denn in meinem Zustand bitte reicher fühlen?
» Theoretisch ja«, antworte ich. » Aber leider kann man Erfahrungen doch nur auch als solche werten, wenn man sich am Ende auch an sie erinnert!«
Ich reibe mir den Schädel, und Tino drückt mir einen Kuss auf die Schläfe.
» Arme Fanny.«
» Aua!«
» Na komm. Das geht vorbei. Nimm ein paar Aspirin und trink einen Kaffee, dann geht es dir schon viel besser.«
» Meinst du?«
Er nickt zuversichtlich, dann steht er auf und verschwindet in die Küche. Püh. Und ich? Ich brauche deutlich länger als er, denn ich muss jeden Knochen einzeln von der Matratze heben. Dann stehe ich auf beiden Füßen und setze mich in Bewegung … und vernehme plötzlich ein
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