Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
will. Ich schlage ihm vor, zurück nach Kreuzberg zu radeln und dort irgendwo einen schönen Kaffee zu trinken, aber er mag nicht.
» Ich will was Glamouröses!«, sagt er und schenkt mir einen verliebten Blick.
Was Glamouröses? Was soll das sein? Auf dem Fernsehturm Champagner trinken?
» Der Herr meinen?«, frage ich.
» Nicht fragen«, sagt er. » Komm mit!«
Wir schwingen uns wieder auf unsere Räder und fahren ein Stück, erst nur durch kleine Seitenstraßen, die ich nicht kenne, ganz gemütlich. Doch nach einer Weile sind wir auf einer mehrspurige Straße, die mir bekannt vorkommt. Mir schwant Böses, und tatsächlich – wir biegen in den Innenhof, in dem ich am Tag unseres ersten Dates auf der verzweifelten Suche nach etwas zum Anziehen gestrandet bin.
» Na!«, sage ich und bleibe entrüstet stehen. » Echt nicht!«
» Ach komm, sei nicht so!«, sagt er. » Ich möchte dir gern etwas kaufen! Etwas Hübsches!«
» Tino, da drin gibt’s nix für mich«, sage ich, mit einiger Überzeugung, denn ich weiß, dass ich die einzigen drei Kleidungsstücke, die mir in dem Laden stehen, bereits besitze.
» Vielleicht ja doch!«
» Tino!«
» Bitte!«, sagt er und schaut bettelnd. » Bitte, bitte, bitte!«
Ich merke, wie ich weich werde. Man muss sagen, der Mann weiß, wie er mich kriegt.
» Meinetwegen. Aber nur kurz, okay? Und wir kaufen nichts!«
» Sicher«, sagt der Tino und nimmt mich an die Hand. » Komm!«
Wir steigen die Stufen hoch und betreten den Laden. Ich nicke flüchtig dem Verkäufer zu, der mich zu erkennen scheint, zumindest macht er ein Gesicht, als würde er sich an mich erinnern.
Wir schauen uns eine Weile um, mein Freund zerrt hier und da etwas von der Stange, hängt es dann aber doch immer wieder weg – zum Glück. Ich freue mich insgeheim schon, Tinos Spendierlaune zu entgehen, da hält er mir plötzlich doch einen Kleiderbügel hin.
» Hier, das!«, sagt er mit leuchtenden Augen.
Oh no. Bei dem Stück in seiner Hand handelt es sich um das hochgeschlossene, graue Flanellkleid, das ich beim letzten Mal anprobiert hab. Ich sah echt grässlich aus darin, das fand sogar der Verkäufer.
» Tino, das hatte ich schon mal an. Es steht mir nicht.«
» Glaub ich nicht«, sagt er.
Ich verdrehe genervt die Augen.
» Tino!«
» Bitte, Fanny! Nur mal anprobieren!«
Grrrr … Ich nehme ihm den Fummel aus der Hand und verschwinde in der Kabine, aber nur, weil das schneller geht, als ihn mit Worten zu überzeugen.
Als ich Minuten später wieder heraustrete, ist Tino total begeistert. Und der Verkäufer, der sich neben ihm eingefunden hat, findet es auch » ganz, ganz wunderbar«.
Verräter, blöder.
» Es ist toll, Fanny. Wahnsinnig toll!«, sagt Tino.
» Genau«, sage ich ironisch.
» Es steht dir wirklich gut«, sagt der Verkäufer. » Betont deine Figur sehr vorteilhaft!«
Ach ja? Ich sehe an mir herunter, kann aber nichts feststellen.
» Er hat recht!«, sagt Tino.
» Und dieser tolle Anhänger, den du da trägst, ist wie gemacht dafür«, sagt der Verkäufer – schon wieder.
Ich schiele auf das Schmuckstück hinunter. Na ja, geht so, oder? Der Anhänger ist grünlich-grau und das Kleid grau, ohne Grün. Er verschwindet beinahe, so sehr ähneln sich die Farben.
» Hm«, mache ich.
» Fanny«, sagt der Tino mit so ernster Stimme, dass sich der Verkäufer diskret aus dem Staub macht, um uns die Möglichkeit zu geben, die Sache alleine zu diskutieren.
» Das Kleid ist wirklich ganz toll«, sagt der Tino.
» Aber ich trage keine Kleider«, sage ich.
» Du Dummerchen. Warum denn nicht?«
» Weil ich darin immer doof aussehe!«
» Fanny«, sagt Tino nur. Dann nimmt er mich an den Schultern und führt mich zum Spiegel. Dort angekommen, dreht er mich hin und her.
» Immer noch?«, fragt er.
Ich sehe mich an. Irgendetwas ist anders als beim letzten Mal. So anders, dass ich mich kurz frage, ob es überhaupt dasselbe Kleid ist.
» Na?«, fragt der Tino und streichelt mir über den Rücken. » Gefällt es dir wirklich nicht?«
Ich schaue immer noch in den Spiegel. Das Kleid ist dasselbe, keine Frage. Nur die, die drinsteckt, scheint sich verändert zu haben.
Irgendetwas ist an mir anders. Stehe ich gerader? Hab ich abgenommen? Hab ich eine bessere Haltung bekommen, nur weil ich verliebt bin?
» Fanny?«
» Vielleicht ist es doch gar nicht so schlimm«, gestehe ich langsam.
» Nicht so schlimm?«, fragt der Tino.
» Na ja«, sage ich, aber nur, weil ich es nicht zugeben
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