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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die Reise geht. Weißt du, welchen Eindruck das auf mich macht?«
    »Welchen?«
    »Daß du mich angelogen hast.«
    »Ich habe die Wahrheit gesagt. Hereford ist in Oxford und wird in wenigen Tagen nach Braybrooke reisen.«
    »Warum soll ich dir glauben? Du fliehst, als hättest du ein schlechtes Gewissen. Offenbar fürchtest du, daß man eine Lüge entdeckt.«
    »Erinnert Euch! Ich war es, die an der Festtafel nicht lügen wollte.«
    |255| Courtenay nickte. »Dann wird es dir leichtfallen, deinen eigenen Worten zu vertrauen.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Ich lasse dich nach Braybrooke Castle bringen. Einige meiner Männer begleiten dich, zu deinem Schutz, versteht sich. Ich bin besorgt um dich und deine Tochter, darum will ich den Weg so angenehm wie möglich für euch machen. Ihr werdet auf einem Wagen fahren. Wenn man dich fragt, dann sind deine Begleiter Bauern, die eine Kornfuhre machen und so entgegenkommend sind, dich ein Stück mitzunehmen. Sage niemandem, daß du in meinen Diensten gestanden hast.«
    »Was soll ich in Braybrooke Castle? Hereford kommt nach Braybrooke, ihn wollt Ihr doch fangen und nicht mich. Ihr behandelt mich, als wäre ich Euer Eigentum.«
    »In Braybrooke Castle lebt Sir Thomas Latimer, Nevills Verschwörungsgefährte. Solange er nicht weiß, daß du Hereford verraten hast, wird er dich gut behandeln.«
    Sir Latimer. Er war Catherine in Nottingham begegnet. Nevill hatte sie fortgeschickt, es war Nacht, sie ging die fackelerleuchtete Straße zwischen den Festungswällen hinab und zitterte, weil ihr die Stimme des Mörders noch in den Ohren knisterte. In dieses Knistern hinein hörte sie gemächlichen Hufschlag, sie sah Thomas Latimer, der ihr entgegenritt. Die Haare klebten ihm an der Stirn, sein Blick, den Catherine als hell und hart kannte, war wäßrig. Müde hing er im Sattel, als kehre er von einer Niederlage auf dem Schlachtfeld wieder. Catherine wendete das Gesicht ab, damit er sie nicht erkannte, aber er rief plötzlich ihren Namen, sprang vom Pferd. Sie mußte sich ihm stellen.
    Der Ritter fiel vor ihr auf ein Knie nieder, ergriff ihre Hände und bat um Verzeihung. Er habe sie nicht erkannt auf dem Marktplatz, niemals hätte er zusehen dürfen, wie man sie folterte. Sie verdiene als Witwe seinen ritterlichen Schutz, es sei eine Schande, daß er ihr nicht geholfen habe.
    Woher er wisse, daß sie Witwe sei?
    |256| Sein Schuster habe es von einem Verwandten in der Stadt erfahren.
    Ein ritterhafter Schuster namens Sir William Nevill, dachte sie.
    Das sei nicht alles, sagte er, er sei ihr zudem Dankbarkeit schuldig für die Augengläser, die sie ihm gefertigt habe. Statt des Dankes habe er sie verraten, als sie hilflos war, ob sie ihm das vergeben könne? Er fände keine Ruhe, bevor nicht das Unrecht gesühnt und seine Ehre wiederhergestellt sei. Und plötzlich war es ihr, als würde Sir Latimer sich stellvertretend für Elias bei ihr entschuldigen. Eine seltsame Empfindung.
    Fest stand, daß Sir Latimer sie gut behandeln würde. Ihn quälte das Gewissen.
    Courtenay fuhr fort: »Wenn du die Wahrheit gesagt hast und Hereford in den nächsten Tagen die Straße aus Oxford heraufkommt, soll Sir Latimer nie erfahren, wie der teuflische Doktor plötzlich in meine Hände geraten ist. Lügst du aber, und ich und meine Männer liegen umsonst auf der Lauer, so werde ich dich als Verräterin entlarven. Nevill und Latimer werden«, er pausierte, spitzte die Lippen, »ungnädig sein. Fällt dir plötzlich ein, daß Hereford vielleicht doch woanders ist? Möchtest du mir etwas sagen?«
    Wieder war sie in Courtenays Zange geraten. Was würde ihn daran hindern, sie Sir Latimer preiszugeben,
obwohl
sie die Wahrheit gesagt hatte? Konnte er nicht in beiden Fällen die Zangenflügel schließen und sie, Catherine, dazwischen zermalmen? Sie mußte fliehen unterwegs, vom Wagen springen, in den Wald entkommen. »Ich habe nichts hinzuzufügen. Hereford kommt nach Braybrooke.«
    Der Erzbischof lächelte. »Um so besser.« Er streckte die Hand aus und strich mit dem Daumen über Catherines Wange. Ein Schlag hätte nicht schmerzhafter sein können. Die Liebkosung schien zu sagen: Ich schrecke auch nicht vor deinem Körper zurück, Catherine. Courtenay murmelte: »Sei gewarnt vor den Ketzern, Mädchen. Man braucht einen ausgebildeten Theologen, um ihre schlauen Argumente zu widerlegen. |257| Du kannst das nicht. Lasse dich nie auf eine Diskussion ein, sonst benebeln sie deine Sinne. Haben sie schon dein Herz

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