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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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dereinst in die Unsterblichkeit. Was du meinem Körper antust, kann mich nicht verletzen.«
    Einige der Söldner, die die reglosen Leiber von Herefords Gefährten in den Wald zerrten, hielten inne. Der Mut des Greises beeindruckte sie. Wenn er, Courtenay, ihn nicht bald zum Schweigen brachte, würde der Teufelsdoktor es schaffen, einige auf seine Seite zu ziehen. Er, der verloren hatte! Nein, man durfte ihn nicht einfach töten. Der Ketzer sollte widerrufen und damit zeigen, daß seine Stärke Menschenwerk war und nicht göttliches Geschenk. Courtenay ritt an ihn heran, packte dessen Hemdkragen und zog den Greis zu sich heran. »Du wirst brennen«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Zuerst in meinem Feuer und dann in der Hölle, weil du Gottes Kinder verführt hast.« Er nahm die zweite Hand dazu und hob den Alten vom Pferd. »In den Staub mit dir, Dämon.« Er stieß ihn zu Boden.

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    Mit zwölf Jahren war Thomas das letzte Mal im Keller gewesen. Er scheute die unterirdischen Räume. Die Dunkelheit jagte ihm Angst ein, der Umstand, daß man nicht bis in die letzten Winkel schauen konnte. Der Koch war hier unten gestorben. Er habe sich totgesoffen, sagte man ihm damals, aber Thomas, ein Kind noch, glaubte es nicht; er fand sich darin bestätigt, daß im Keller Geister hausten: Sie waren dem Koch zu Leibe gerückt, als er Rüben holen wollte.
    Er vermied es seitdem, in den Keller hinabzusteigen. Ob der Verwalter ihn einlud, das ordnungsgemäße Lagern der Ernte zu überprüfen, oder ob es galt, die Weinvorräte durchzusehen, immer fand er einen Vorwand, die Sache aufzuschieben.
    Thomas griff an die Wand, um sich abzustützen. Spinnweben knisterten um seine Finger und hängten sich an die Zange, die er hielt. Was mochte hinter den Fässern dort hocken? Das Licht der Lampe in seiner zitternden Rechten reichte nicht bis in die Ecke. Du weißt doch, wie man sich zur Wehr setzt! schalt er sich. Es half nichts. Das Herz trommelte gegen die Rippen. Wäre es ein Angriff, den er erwartete, er würde eine andere Art von Angst verspüren, eine aufmerksame, kampfbereite Angst. Was er fühlte, war das Grauen vor dem Unbekannten. Er konnte nicht sagen, was ihm ein Geist antun würde. Der Schrecken allein, diesen Windhauch zu sehen, dieses Luftungeheuer! Ihm würde das Herz versagen im Augenblick, in dem er den Geist entdeckte.
    Hatte er nicht vor einem Jahr geglaubt, die Furcht sei überwunden, als der Doktor über eine Aussage Christi vom 16. Kapitel des Johannesevangeliums predigte?
In þe world yee have shul han pressing, but tristeþ: I have overcomen þe world.
In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt |287| überwunden. Jesus Christus ist stärker, sagte er sich. Er unterwirft den mächtigsten Dämon.
    Seine Schritte knirschten am Boden, knirschten von den Wänden und von der Decke. Hinten, im Dunkel, das die Lampe nicht erreichte, schepperte eine Kette. Er folgte dem Geräusch. Da, ein Gesicht ohne Lippen, und dicke, pfropfenartige Ohrläppchen. Sligh. Er sah Thomas zornig entgegen.
    Nach links leuchtete er, bog ab. Die Brillenmacherin lag auf dem Boden. Sie hatte die Hände, die in eisernen Schalen steckten, vor den Kopf gestreckt, so daß sie auf den Unterarmen ruhte. Auf ihrem Gesicht bahnten sich Tränen den Weg durch eine Staubschicht, und doch lag es entspannt und friedlich. Der Mund stand offen um einen Spalt, er war schön geformt, unter der Nase malte er zarte Spitzen. Die Wangen holten weit aus. Golden schimmerten die Augenbrauen. Sie erinnerten an Vogelschwingen. Catherine Rowe war eingeschlafen.
    Sie lag hier und schlief, ihrem Schicksal ergeben. Ihre Geste sprach für sich: Sie hatte alles gesagt. Sicher war sie unglücklich, von ihrer Tochter getrennt zu sein, aber sie fürchtete keine Entdeckung böser Taten mehr, sie hatte gestanden. Thomas konnte ihr vertrauen.
    »Catherine«, sagte er.
    Sie schlug die Augen auf, sah hoch zu ihm. Die Kette schepperte, als sie sich erhob. »Sir Latimer.«
    »Deine Tochter weint. Ruth meint, sie müsse Milch trinken.«
    »Bitte, bringt sie mir. Sie kann doch nichts für meine Verfehlungen.«
    »Das Kind soll diesen dunklen Keller nicht sehen. Reiche mir deine Hände!«
    Sie streckte ihm die Arme hin. Mit der Zange bog er die Eisenstifte um und zog sie heraus. Die Schalen öffneten sich, die Kette fiel herab.
    Catherine stammelte: »Was ich getan habe, tut mir so leid! Ich wußte nicht, daß Courtenay mich belügt.«
    |288| »Seine Ritter

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