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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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geschworen. Brecht Ihr ihn, dann seid Ihr der nächste.« Er winkte mit den Augen zur Burg hinüber.
    »Schon gut, schon gut. Ich halte mich an meinen Eid.«
    »Also, was schlagt Ihr vor?«
    »Belagerungsgerät.«
    »Befindet sich im Bau. Noch eine Woche, und es ist bereit.«
    »Ihr habt recht«, sagte der Earl. »Wir sind verpflichtet, Euch im Heer zu dienen, und solange Braybrooke Castle steht, kommen wir hier nicht fort.« Er lockerte das Schwert in seiner Scheide, hob es ein wenig heraus und ließ es wieder hineinrutschen. »Die Burg fällt beim nächsten Ansturm. Ich gebe mein Wort.«
    Courtenay musterte ihn erstaunt. Er sah nicht übermütig aus, eher gelassen. »So sicher seid Ihr Euch?«
    |293| »Die Burg besteht zu großen Teilen aus Holz. Schafft Schwefel heran, Steinsalz, Pech, Harz und gebrannten Kalk. Mittels der Belagerungsgeräte bringen wir es in die Nähe, dann werfen wir es gegen Häuser und Wälle. Kein hölzernes Bauwerk hält Byzantinischem Feuer stand. Sir Latimer findet ein loderndes Ende.«
    »Und noch jemand.« Philip Repton trat zwischen die Ritter. Er grinste. »Die Flammen zucken bereits bis in den Himmel, Exzellenz.«
    Es ärgerte Courtenay, wie vorlaut Repton sprach. Aber er entschied, daß ein Strafexempel im Augenblick schädlich wäre, und verschob es auf später. »Gut«, sagte er. »Wenn die Herren Ritter sehen wollen, warum der Zorn der Kirche entbrannt ist und warum Braybrooke Castle zu Asche zerfallen muß, dann kommt herüber zum Feuer. Ich befrage Doktor Hereford.«
     
    Repton hatte nicht zuviel versprochen. Der Ketzervater, der gefesselt am Boden kauerte, sah neben dem haushoch lohenden Feuer aus wie eine Motte neben einem Kamin. Er schwitzte. Courtenay ließ ihm einen Becher Wasser reichen. Die Annehmlichkeiten des Lebens sollten ihm in guter Erinnerung sein, wenn er den Hitzetod nahen fühlte.
    Courtenay war frisch und ausgeruht. Er hatte sich gewaschen, hatte den Waffenrock abgelegt und statt dessen eine frische, weiße Albe angezogen, nur ihr Saum war sichtbar unter der dunklen Tunika. Über der Tunika trug er sein bestes Bischofshemd. Es hing bis zu den Schenkeln herab und war mit goldenen Ornamenten und Fransen verziert. Im Feuerschein würde er einem Racheengel nicht unähnlich sehen.
    Er befahl: »Nenne mir deinen Namen!«
    »Nicholas Hereford, Professor der Universität Oxford, Fachbereich Heilige Schrift.«
    Offenbar versuchte er, die Zuhörer zu beeindrucken. Hereford hatte sofort begriffen, worum es hier ging. Sie rangen nicht um sein Leben, das war längst verloren. Der Streit wurde |294| um die Zuhörer geführt. Courtenay mußte ihn von Anfang an in eine Verteidigungshaltung zwingen, damit er keine Stärke zeigen konnte. »Bist du noch Professor? Oder beginnst du die Befragung gleich mit einer Lüge?«
    »Der Kanzler der Universität, Robert Rigg, hat mich nie des Dienstes enthoben.«
    »Warum bist du dann hier und nicht bei deinen Studenten?«
    »Ich wurde exkommuniziert und eingekerkert.«
    Himmel! Er war geschickt. Es sah wie eine Ungerechtigkeit aus. »Wir werden sogleich hören, warum das geschehen mußte. Antworte mir, Nicholas Hereford: Glaubst du, daß die Beichte notwendig ist für die Erlösung?«
    »Ja.«
    Courtenay zuckte zusammen. Kein Lollarde vertrat diese Ansicht. Sie kritisierten doch die Beichte in ihren ketzerischen Reden! »Schwöre bei Gott, daß du die Wahrheit sagst.«
    »Ich sage die Wahrheit, Gott strafe mich, wenn ich lüge.«
    »Die Beichte ist notwendig für die Erlösung? Du glaubst das?«
    »Ja, ich glaube es.«
    Er spielte mit ihm. Um die dunklen Augen des Doktors tanzten kleine Falten. Courtenay trat näher an ihn heran. »Von welcher Beichte sprichst du? Vor wem soll man beichten?«
    »Vor seinen Glaubensbrüdern.«
    Da hatte er ihn!
    »Die Schrift befiehlt das im Brief des Jakobus«, sagte Hereford, »Kapitel fünf. So hat es der gute John Wycliffe übersetzt:
Þerfore knouleche thee oen to an oþer youre synnes and preye thee for eche oþer.
Darum bekennt einander eure Sünden und betet füreinander.«
    Er wagte es, Wycliffe zu zitieren, vor ihm, William Courtenay, der den Verruchten zur Strecke gebracht hatte! Daß dieser Name überhaupt noch lebte! Daß diese giftigen Worte immer noch durch die Köpfe wanderten! »Erbärmlicher Ketzer«, |295| brüllte er, »du nennst Wycliffe dein Vorbild, der wegen seiner Freveleien aus der Kirche verstoßen wurde? Aber dessen bedarf es nicht, verehrter Doktor. Ihr habt Euch selbst das

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