Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
anzuspitzen. Mochten ihre Buchstaben unvollkommen aussehen – Courtenay sollte sehen, in welcher Not sie sich hier in Braybrooke Castle befand. Sie öffnete das Fäßchen, tunkte die Federspitze ein und schrieb:
     
    An Seine Exzellenz William Courtenay, Erzbischof von Canterbury und päpstlicher Legat in England.
    Die Brillenmacherin hat Euch verraten. Sie warnte meinen Mann, daß Ihr Doktor Hereford auflauern würdet. Auch gab sie William Sligh in seine Hände, so daß er nun eingesperrt ist. Thomas hat Catherine beauftragt, Euer Lager auszuspähen. Während sie Euch nach dem Munde redet, ist sie längst zur Ketzerin geworden. Laßt sie nicht zur Burg zurückkehren, wenn Ihr verhindern wollt, daß sie weiteres Unheil anrichtet.
    Die Eure,
    Lady Anne von Ashley
     
    Anne blies über die Schrift, um die nasse Tinte zu trocknen. Mattigkeit überfiel sie. Die Augen brannten, und der Atem ging gewichtig. Als hätte ich ein Schlafmittel genommen, dachte sie. Sie stand auf. Träge setzte sie Fuß vor Fuß, ließ sich auf das Bett fallen. Sie mochte nicht mehr kämpfen. War es nicht Zeit, Thomas Latimer aufzugeben? Überhaupt Zeit aufzugeben? Seit langem fühlte sie sich, als würde ihr Körper zerfallen. Die Lebenskraft war dahin. Die Jahre waren mit Schmerzen getränkt gewesen, genug Schmerzen, um sie zu sättigen.
    |291| Da standen die Ritter und stritten. Während sie sich Argumente zuriefen, nahmen ihnen Knappen die Panzerplatten ab, halfen aus den Eisenschuppenhemden heraus, lösten die Beinschienen und zerrten an den Sporen. Hier zog man die Riemen eines Schildes straffer, dort befestigte man eine Lanzenspitze an ihrem Schaft. Schmiede eilten mit Feile und Hammer umher, nahmen kleine Nachbesserungen vor. Keine Rüstung glich der anderen, auch die bevorzugten Waffen unterschieden sich: Streitaxt oder Schwert, Eisenkeule, Lanze oder Kriegshammer.
    »Auf den Türmen die Langbogenschützen, ich sage Euch, das ist die wahre Gefahr.«
    »Habt Ihr die Armbruster auf dem Wall gesehen? Dicht an dicht standen sie. Da ist kein Herankommen. Schaut her! Zwei Bolzen haben meinen Schild durchschlagen, dickes Holz, sie sind einfach hindurchgekracht. Die Wucht hat mir den Schild beinahe aus der Hand gerissen.«
    Courtenay platzte mitten hinein in den Kreis. »Welche müde Vorstellung Ihr abgegeben habt! War das alles? Mehr habt Ihr nicht zu bieten?«
    Dunkles Schweigen senkte sich über die Runde.
    »Ihr reitet hier nicht gegen eine Festung an, sondern gegen eine kleine Burg auf dem Land!«
    »Richtig, Exzellenz«, sagte einer der beiden Earls. »In Friedenszeiten ein leichtes Ziel. Einen Pförtner gäbe es zu erschrecken und drei Wachmänner.«
    Courtenay spürte, daß sich sein Kopf erhitzte. »Was faselt Ihr da von Friedenszeiten? Kämpft Ihr denn sonst in Friedenszeiten, in Frankreich, in Spanien, auf einem Kreuzzug? Und täuscht Euch nicht: Es herrscht kein Friede in England! Der König rottet Mitstreiter zusammen, die Earls von Arundel, Warwick und Nottingham und Thomas von Gloucester, der schon immer ein Feind der Krone war, sammeln ein Gegenheer. Bald geht es um die Krone. Ganz England ist in Aufruhr, und Ihr wollt leichtes Spiel haben, wenn Ihr eine kleine Ketzerburg stürmen sollt? Wir werden noch ganz andere Schlachten schlagen!«
    |292| »Alles, was ich sage«, setzte der Earl ruhig fort, »ist: Sir Latimer war vorgewarnt.«
    »Das sind keine einfachen Burgwachen, gegen die wir angehen«, klagte ein grauhaariger Ritter. »Sir Latimer hat einen Captain dort mit schlachtfelderprobtem Gefolge, teuer eingekauft. Darauf verwette ich mein Schwert. Der hat seine Waffenbrüder zwischen die Posten auf dem Wall gestellt, das sind geübte Schützen. Ich sage Euch, wir werden an dieser Burg scheitern, so klein sie auch ist.«
    »Nach einem einzigen Angriff wollt Ihr aufgeben? Ihr seid Lehnsleute der Kirche, es ist Eure Pflicht, in ihrem Auftrag aufständische Ketzer zu vernichten. Ich dulde keine Schwäche!«
    »Wir könnten ihn aushungern«, schlug einer der Ritter vor.
    »Pah!« rief der Grauhaarige. »Ich habe anderes zu tun, als hier monatelang Posten zu schieben.«
    Courtenay krampfte die Zehen in die Stiefelsohlen. Flüche sprangen ihm im Mund herum. Er hielt die Lippen verschlossen. Ruhig! befahl er sich. Laß sie deine Überlegenheit spüren. Mit einem Wutausbruch zeigst du Schwäche, aber wenn du dich im Griff hast, hast du auch sie im Griff. Er sagte kühl: »Mir verdankt Ihr Euer Lehen. Ihr habt mir den Treueid

Weitere Kostenlose Bücher