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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ein Ritterheer zu, das wie eine Walze, wie ein stahlgleißendes, lichtsprühendes Ungetüm auf Braybrooke zudonnerte. Wollte er sich diesem Heer allein entgegenwerfen? In der Mitte der Ritter erhob sich ein viergezacktes |390| Banner an einer Lanze, dies mußte der Heerführer sein, ein
Banneret
. War es Courtenay gelungen, einen
Banneret
für seine Sache zu gewinnen? In jeder Schlacht der Engländer hatten sich die Ritter den wenigen
Bannerets
unterzuordnen, es waren die kampferfahrensten Ritter, die das Land zu bieten hatte, eine kleine Zahl an außergewöhnlichen Männern.
    Catherine streichelte unablässig Hawisias Gesicht, auch wenn es die Schreiende nicht zu trösten vermochte. Und dann begriff sie. Die Fahne des
Bannerets
war weiß, von roten Linien durchkreuzt. Es war William Nevill.
     
    Courtenay saß regungslos, sein Pferd stand ebenso still. Er umklammerte die Zügel, preßte die Fingernägel in das Leder. Es war ihm gelungen, Braybrooke Castle in Brand zu stecken. Er hatte die Burg gestürmt, er hatte gesiegt! Und da ritt Thomas Latimer hinüber zu seinem Freund, und da erschien Nevill mit einem stattlichen Heer. Die Bedeckten Ritter. Sie waren also bereit, ihr Ketzerwerk in aller Öffentlichkeit zu verteidigen mit blanker Klinge. Und er, der Erzbischof von Canterbury, mußte sich eilen, von diesem Schlachtfeld das nackte Leben zu retten.
    Er beugte sich zu Sligh hinunter. »Ich will, daß du dir Doktor Hereford greifst. Bringe ihn nach London in das bewußte Haus.«
    »Ich darf also meinen Arsch retten? Sehr recht. Hier wird es gleich übel hergehen.«
    »Laß dir die beiden Botenpferde geben. Und rühre den alten Mann nicht an!« Es war seltsam. Immer, wenn er den Ketzerdämon hatte foltern wollen in den vergangenen Tagen, war etwas dazwischengekommen, jedenfalls hatte er das lange geglaubt, bis er feststellen mußte, daß es an ihm selbst lag, daß er den Doktor nicht foltern konnte. Er wollte die Bewunderung, die Zuneigung dieses Mannes, auf seltsame Weise konnte er seine Verachtung nicht ertragen. Er wünschte sich, ihn zu erobern. Es würde ihm gelingen. In London würde er viel Zeit haben, an seiner harten Schale zu arbeiten. Es war ja |391| keine ganze Niederlage, die er hier erlitten hatte. Er hatte Latimer prächtig geschadet, und er hatte den Doktor.
    Courtenay wendete das Pferd. »Alan«, rief er, »nimm deinen Bogen, besteige einen Gaul und folge mir!«
    Sligh fragte: »Reiten wir zu dritt nach London?«
    Dieser Wurm hatte offenbar noch nicht verstanden. »Dein Weg ist
geheim
, du Narr. Laß dich nirgendwo blicken! Wenn die Ketzerbande erfährt, wo du bist, bist du tot. Also schütze dein eigenes Leben, indem du dich im verborgenen hältst. Alan und ich reiten nach Canterbury.«
    »Ihr reitet. Nett gesagt. Ich würde das anders nennen, mein Guter. Ihr flieht.« Und Sligh sprang hinter ihm aufs Pferd, umklammerte Courtenays Bauch und rief: »Bis zum Heerlager kannst du mich noch mitnehmen. Hopp hopp!«

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    Die Kopfhaut brannte, er hatte sich den Helm mit Wucht vom Kopf gerissen. Latimer warf ihn zu Boden, daß er polternd einige Sprünge machte. Er schleuderte den Zweihänder hinterher. »Diese Schlange von einem Erzbischof!«
    »Was hast du erwartet?« fragte Nevill. »Daß er mit ritterlicher Tapferkeit auf deine Lanze wartet?«
    »Fast meine gesamte Burgbesatzung ist tot. Auch in seinem Heer sind etliche gefallen. Wie kann er ihren Tod in Kauf nehmen und auf schäbige Weise das eigene Leben retten?«
    »Ich würde sagen, daß Courtenay sich aus dem Staub gemacht hat, ist das geringere Übel.«
    »So?«
    »Der Doktor ist nicht aufzufinden.«
    »Natürlich, den hat er mit sich genommen. Jagen wir ihm nach!«
    »Und dann? Den Erzbischof umbringen ohne Gerichtsverfahren? Das Recht ist auf seiner Seite, Thomas. Wir haben den Doktor versteckt gehalten, einen Exkommunizierten, der dem Kerker in Rom entflohen ist.«
    »Von Krieg haben wir gesprochen, erinnerst du dich? Ziehen sich die Bedeckten Ritter nun zurück wie ein Rudel Hunde, das im Gebalg unterlegen war?«
    »Solange wir uns verteidigen, ist es Courtenay, der sich vor dem König erklären muß, und wenn ihm etwas zustößt, können wir sagen, daß wir uns nur unserer Haut erwehrt haben. Aber wir können ihn nicht verfolgen.«
    Latimer riß sich Arm- und Beinschienen vom Leib. Er betrat den Herrenturm, schmiß die Tür hinter sich zu und ging hinauf in Annes Gemach. Ungestraft! dachte er. Ein Teufel wie Courtenay darf

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