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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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links auf die Beinlinge. »Sir Philip Repton, bitte. Was wünscht Ihr, ehrwürdiger Vater?«
    »Wenn Ihr die Priesterweihen empfangen wollt, werdet Ihr Opfer bringen müssen. Dazu zählt Euer Titel.«
    |136| Im knochigen Gesicht versteinerte die Haut. »Gewiß. Allerdings nenne auch ich Euch nicht einfach Everard. Bis ich Geistlicher geworden bin, Herr Abt, bitte ich Euch, mich weiterhin als Ritter anzusprechen.«
    »Ich muß zugeben, daß es mich etwas verwirrt, daß sich seine Exzellenz Erzbischof Courtenay von einem Laien beraten läßt.«
    »Das ist allein seine Sache.«
    »Natürlich. Jeder macht Fehler.«
    »So wie Ihr gerade?«
    Die Männer maßen sich mit den Augen. Schließlich sagte Everard: »Beeilt Euch mit den beiden. Der Schreiner wartet.«
    »Soll er diesen Tisch dort reparieren, der schon wackelt, seit der Erzbischof und ich hier angekommen sind? Wäre Gott so nachlässig, was die Jahreszeiten angeht …«
    »Seht Euch vor, Repton«, zischte der Abt. »Das Wohlwollen des Erzbischofs könnte Euch schneller zwischen den Fingern zerrinnen, als es Euch lieb ist.« Damit wandte er sich um und verließ den Saal.
    Repton starrte auf die Tür, als sähe er durch sie hindurch den Kreuzgang und den sich entfernenden Abt.
    Catherine kam sich plötzlich vor, als sei sie dem Hageren ebenbürtig. Selbst er, ein Ritter, mußte sich die Gunst des Erzbischofs verdienen und konnte sie jeden Tag wieder verlieren. Unterschied sich sein Kampf so sehr von dem ihren?
    Sie kroch unter den Tisch und angelte den Becher hervor. »Den Bart soll man also nicht in den Wein hängen«, sagte sie, sich erhebend.
    Repton nickte. »Das dürfte dich als Weibsbild allerdings weniger belasten.« Ein Lächeln spielte um das Katzenmaul.
    Der Ritter lächelte! Er hatte eine Warnung erhalten, einen Stoß vor die Brust, und er lächelte. Repton mußte ein starker Mann sein. Oder er hatte etwas in der Hinterhand, wovon der Abt nichts ahnte.
    »Gib deinem Bruder den Becher«, sagte er. »Nimm noch einen Schluck, Alan. Gut. Was tust du nun?«
    |137| »Essen.«
    »Unsinn. Du gibst den Becher an deinen Nachbarn weiter, also an Catherine. Augenblick! Drehe ihn so, daß ihre Lippen nicht dort ansetzen, wo deine auf dem Becher ruhten.«
    »Warum kann sie sich den Becher nicht selbst hindrehen, wie sie es möchte?«
    Repton setzte sich Alan und Catherine gegenüber, stützte das Kinn auf die Hände. »Weil die Handreichung ihr etwas sagen soll. Ein Mahl ist kein einfaches Hochzeitsgelage, wie ihr es in den Dörfern feiert. Es ist eine feine Zeremonie, bei der jede Bewegung und jedes Wort eine Bedeutung haben. Wenn man sie jahrelang vollführt hat, beherrscht man sie und kann beginnen, Speise und Trank zu genießen. Für Anfänger wie euch jedoch ist das Mahl eine Herausforderung, die volle Aufmerksamkeit erfordert.«
    »Eine Zeremonie.« Catherine rollte die Augen. »Ich habe die Herren im Nottingham Castle grölen hören bis in die Nacht. Sie feierten sicher etwas anderes als eine Abfolge genauer Bewegungen.«
    »Laß dich nicht täuschen. Bedenke, wie lange sie mit diesen Dingen vertraut sind!«
    »Was soll die Handreichung ihr denn sagen?« fragte Alan.
    »Daß du sie achtest. Die Grundfrage während eines Festmahls ist der Rang jedes Essenden. Nur ein Teil der Gäste erhält Wein, zum Beispiel, und daran läßt sich erkennen, wen der Herr begünstigt.«
    »Was kriegen die anderen?«
    »Ale. Das ist das hintere Ende der Tafel. Wo man plaziert wird, hat eine große Bedeutung. Am hinteren Ende der Tafel gibt es kein Fleisch, bei den Angesehenen in der Nähe des Herrn hingegen wird das Beste aufgetischt, das die Wälder und die Flüsse hergeben. Der Rang zeigt sich auch darin, in welcher Reihenfolge man das Essen erhält. Und er zeigt sich in der Anzahl der Mahlgefährten, mit denen man den Becher und die Schüssel teilen muß.«
    Alan zuckte die Schultern. »Wir sitzen doch so oder so am |138| hintersten Ende der Tafel. Warum sollten wir uns bemühen, fein zu essen?«
    »Das Wohlsinnen der Mahlgefährten darf nicht verletzt werden. Von ihrer Freundschaft kann viel für euch abhängen.«
    Mit spitzen Lippen, die Finger in die Luft gereckt, als wollte er Saiten zupfen, die dort mitten im Raum hingen, wiederholte Alan: »Das Wohlsinnen der Mahlgefährten …«
    »Oh, ihr müßt mich nicht ernst nehmen, wenn ihr nicht wollt.«
    »Bitte!« Catherine trat Alan unter dem Tisch gegen das Bein. »Wie vermeidet man es, die Mahlgefährten zu

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