Die Brillenmacherin
färbte seine Zähne dunkel. Er röchelte. Eine rote Pfütze verbreitete sich über den Boden.
Elias war tot. Ihr Geliebter war ermordet worden. Und sie saß hier und schlug ihre Zähne in Hirschfleisch und trank und lauschte dem nichtsnutzigen Geplauder der Augustiner. Wie sie sich wünschte, mit Elias zu reden! Wie sie sich nach seiner Umarmung sehnte und nach dem herben Geruch, den er verströmte, wie es sie verlangte, ihm alles zu berichten und seinen Rat zu hören! Die Welt war verloren ohne Elias. Er fehlte unter den Lebenden, er riß ein Loch, größer, als es ein sterbender König reißen konnte. Wo gab es einen Mann wie ihn? Sie würde ihr Leben lang nach ihm, Elias, suchen, sie waren zerissen, sie, die zusammengehörten, waren auseinandergezwungen worden, und einer konnte ohne den anderen nicht glücklich sein.
Sie stand auf und verließ den Saal.
Courtenay setzte sich auf eine der drei bunt bemalten Truhen. Der Deckel knackte leise. Würde der Erzbischof sie auffordern, Platz zu nehmen? Es gab nur einen Stuhl. Warum hatte er sich auf die Truhe gesetzt und nicht auf den Stuhl, wenn er doch schwieg und Alan und sie stehen ließ?
Das Eichhörnchen nagte an den hölzernen Käfigstangen. »Hör auf damit!« rief Courtenay.
Es sprang im Käfig umher und schien zu lachen. Der Käfig stand auf der Fensterbank; das Fell des Tiers leuchtete im Sonnenschein.
So schön ihr der Erzbischof beim Festmahl erschienen war, so häßlich fand sie ihn jetzt. Die krausen weißen Haare, das runde Gesicht mit der Warze über dem Auge – er sah weder |149| aus wie ein Kind, noch war er ein Mann. Der Ring an seiner Hand war von einer abstoßenden Größe, als gehöre er einem Riesen und ein Zwerg habe ihn gestohlen und ihn sich in seiner Gier an den Finger gesteckt.
Alan räusperte sich. »Ihr habt uns rufen lassen, Herr?«
»Habe ich nicht gesagt, wir würden uns wiedersehen?« Courtenays Zähne blitzten. Es war kein warmes Lächeln.
»Ich habe den Vertrag mitgebracht, der Euch bestätigen wird, daß ich vierzig Schillinge Eintrittsgeld bezahlt habe. Fünf Schillinge bezahle ich Pacht jedes Jahr. Zwei Pfund Eintrittsgeld und fünf Schillinge Pacht, das beweist doch, daß ich dem Ritter Nevill nicht gehöre. Seid Ihr bereit, einem freien Mann zu helfen?«
»Gebt mir den Pachtvertrag.«
Alan reichte dem Erzbischof das Pergamentstück.
Zuerst begutachtete Courtenay ausgiebig das Siegel, dann las er. »Hier steht es«, sagte er, »du hast das Land
per servilem condicionem
gepachtet, also als Unfreier.«
»Dieser Hund von Ritter! Er hat mich betrogen. Nevill ist ein Lügner, und ein Mörder ist er außerdem. Er gehört vor ein Gericht gestellt. Helft uns, ihn seiner Strafe zuzuführen!«
Die Hand des Erzbischofs schnellte vor. Sie umklammerte Alans Gesicht, Daumen und Zeigefinger bohrten sich tief in seine Wangen. »Hast du immer noch nichts gelernt, Bursche? Wage es nicht noch einmal, einen Kammerritter seiner Majestät des Königs von England einen Hund zu nennen, oder du wirst mit deinem Leben dafür bezahlen.« Courtenay starrte Alan in die Augen und wartete so lange, bis dieser durch ein Nicken zu erkennen gab, daß er verstanden hatte. Dann ließ er ihn los. »Ich hatte eigentlich beschlossen, dich in mein Gefolge aufzunehmen, weil mir dein Kampfgeist gefiel. Nun zögere ich. Ich kann keinen gebrauchen, der nicht in der Lage ist dazuzulernen.«
»Ihr wollt –«
»Wollte. Zum Waffendienst. Nun hast du mich ins Zweifeln gebracht.«
|150| Catherine trat einen Schritt nach vorn. »Herr, er ist sonst nicht so. Bedenkt, daß er alles verloren hat. Mein Bruder ist ein fleißiger, verläßlicher Mann. Er wird gehorsam sein.«
»Das werde ich sehen. Er soll vier Wochen zur Probe bleiben. Ich werde ihn auf das genaueste beobachten.« Courtenay hob die Hand mit dem Ring. Alan und er funkelten sich an. Was geschah hier? Es war, als sprächen sie mit den Blicken, als kämpften ihre Schatten, während sie unbeweglich standen. Endlich neigte Alan langsam den Kopf hinab zur Hand des Erzbischofs und drückte seine Lippen auf das Gold.
»Melde dich bei Philip Repton, er wartet vor den Walkmühlen auf dich.«
Catherine wollte sich mit dem Bruder zum Gehen wenden, aber der Erzbischof hielt sie zurück: »Bleib. Wir haben über das Festmahl zu sprechen.«
»Herr?«
»Wie konntest du es wagen, mich bloßzustellen?«
Die Tür klappte. Sie waren allein.
»Ich dachte, es wäre eine Prüfung. Ich dachte, Ihr wollt mich auf
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