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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sollte ich sie wegschicken, und nun behandelt Ihr sie auf das freundlichste.«
    »Tue mir einen Gefallen und denke ein einziges Mal nach! Verstehst du nicht? Erfüllt man die Wünsche eines Bittstellers, so wird er sich vor allem selbst gratulieren. Er hält sich für schlau und den Gönner für dumm, ihm nachzugeben. Catherine und Alan aber haben nichts mehr erwartet und alles bekommen. Ihre Dankbarkeit ist groß.«
    »Sind es die Gäste, von denen Ihr gesprochen habt?«
    »Du vor allen anderen solltest das wissen.« Courtenay strich sich über das Kinn. »Catherine wird einige Zeit brauchen. Sie ist nicht dumm, allerdings steht ihr ihre engstirnige Moral im Weg.«
    »Ich bin Euch treu ergeben, Ihr wißt das. Wollt Ihr mich nicht einweihen? Was bezweckt Ihr mit dieser Frau?«
    Der Erzbischof nahm eine Haselnuß vom Tisch und warf sie in den Käfig des Eichhörnchens. Sofort machte sich das Tier darüber her: Es klemmte sie zwischen die Pfoten und nagte ein kreisrundes Loch in die Schale. Dann klaubte es den Kern heraus und fraß ihn. »Vielleicht sagen dir die Namen Latimer, Nevill, Cheyne und Montagu etwas?«
    Reptons Hand tastete nach dem Tisch. Er öffnete leicht den Mund und nickte.
    »Du hast mir von ihrer Verschwörung berichtet und davon, daß sie Nicholas Hereford verstecken, einen Freund Wycliffes, der das teuflische Werk der Bibelübersetzung fortführt, anstatt in Rom im Kerker zu verfaulen. König und Kirche sind in großer Gefahr. Meine Pläne willst du wissen? Hereford finden und unschädlich machen, die Bedeckten Ritter zwingen zu widerrufen, und vor allem: das Ketzerbuch vernichten.«
    »Wie wollt Ihr das tun? König Richard vertraut kaum jemandem wie seinen sechzehn Kammerrittern, unter ihnen Nevill. Er und die anderen Bedeckten Ritter haben Ländereien und ein stattliches Waffengefolge. Durch das Schwert sind sie kaum zu besiegen. Und sie würden den Doktor niemals preisgeben.«
    »Mein lieber Repton, du scheinst mich noch nicht recht zu |154| kennen. Wycliffe habe ich sieben Jahre lang gejagt, ehe ich ihn zur Strecke bringen konnte. Wenn es sein muß, werde ich diese Ketzer ebenso lange jagen. Und du vergißt die Brillenmacherin. Sie ist der Schlüssel.«
    »Die schwache Frau?«
    »Mir scheint, du sorgst dich um sie.«
    »Nein. Nein.« Philip Repton wiegelte mit beiden Händen ab. »Ich frage mich nur: Warum muß es unbedingt eine Brillenmacherin sein?«
    »Ich schleuse sie bei den Verschwörern ein. Sie wird ihnen Verrat, Tod und Vernichtung bringen.«
    »Warum kommt nicht ein Handwerk in Betracht, das es häufiger gibt? Da ließe sich leichter jemand finden, der gottesfürchtig und gehorsam ist und zudem ein wenig stärker und listiger als Catherine.«
    Courtenay lachte. »Wie weit dringt ein Kesselflicker zu den Rittern vor? Gerade mal bis in die Küche, er wird die Herren nie zu Gesicht bekommen. Und kommt er nach einer Woche erneut ins Haus? Nein. Es vergehen Jahre, ehe er sich wieder blicken lassen kann, ohne Verdacht zu erregen. Oder ein Besenbinder – soll ich einen Besenbinder schicken? Er klopft am Tor und wird, wenn er Glück hat, in der Gesindestube eine Schale Suppe löffeln, bevor er weiterzieht.«
    »Was ist mit einem, der Flöten schnitzt? Die Bedeckten Ritter lieben die Musik. Sie werden einen Pfeifer empfangen.«
    »Sie empfangen ihn, meinetwegen. Aber das genügt nicht. Wollen sie ihn behalten? Unwahrscheinlich. Repton, was lehrt uns die Geschichte Trojas? Wie ist die starke Stadt in die Hände ihrer Feinde gefallen?«
    »Sie haben ein hölzernes Pferd hineingezogen, und in diesem Pferd waren Bewaffnete versteckt.«
    »Sehr richtig. Nun denke darüber nach: Sind die Bewaffneten sofort aus dem Bauch des Pferds geschlüpft, als man es ins Innere der Stadt geholt hat? Was wäre geschehen, wenn sie das getan hätten?«
    »Man hätte sie augenblicklich niedergemacht.«
    |155| »Statt dessen?«
    »Statt dessen haben sie bis zur Nacht gewartet.«
    »So ist es!« Courtenay sprang auf. »Das hölzerne Pferd war in der Stadt geblieben, und so konnten die Griechen die Dunkelheit abwarten und die schlafenden Trojaner überraschen. Wieso stand das Pferd bei Einbruch der Nacht noch in Troja?«
    »Die Trojaner wollten es behalten, als Beutestück, nehme ich an.«
    »Also brauchen wir keinen Pfeifer, sondern eine Brillenmacherin.« Er begann, in der Kammer auf und ab zu gehen. »Die Brillenmacherin werden die Verschwörer behalten wollen. Sie werden sie wieder und wieder empfangen. Du trägst

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