Die Brillenmacherin
heißen.«
Draußen wurden die Stimmen lauter. »Courtenay ist nicht mehr da. Reizt mich also nicht, Repton! Ihr kämpft auf verlorenem Posten.«
»Was wollt Ihr tun? Mich in Ketten legen lassen?«
»Bitte!« rief die Helferin. »Ihr Herren, hier drin liegt eine Frau, die gerade entbunden hat. Sie braucht Ruhe. Ist es nicht möglich, daß Ihr Euch an einem anderen Ort streitet?«
»Ich will sie sehen, sofort!« stieß Repton aus.
Catherine verbarg das Kind in den Händen. Sie atmete rasch.
Die Tür des Calefaktoriums quietschte in den Angeln. Eine fremde, leise Stimme sagte: »Sir Repton, seine Exzellenz der Erzbischof ist eingetroffen, und er wünscht, Euch sofort zu sprechen.«
»Courtenay ist hier?«
»Mir wurde aufgetragen, Euch zu suchen und Euch zu bitten, umgehend die Kammer seiner Exzellenz aufzusuchen.«
Sie entspannte sich. Es war alles gut. Courtenay war zurückgekehrt. Die Sonne schien heller durch das Fenster herein, die Luft schmeckte klarer. An Catherines Hals trocknete der Schweiß. Bald würde sie wieder zu Kräften kommen. Ihr Gönner war da, es konnte nichts geschehen. Sie bettete Hawisia an ihre Brust, legte das Köpfchen in die Halsbeuge und streichelte es sanft. Catherine mußte sie nicht allein beschützen, da war der mächtige Kirchenfürst, der ihr half.
William Courtenay zog den Brief hervor und las ihn erneut. Die feinen, weiblichen Längsstriche der Buchstaben hatten sich vor Eile schräg gelegt. Der Brief hatte ihn nicht erreichen können in Newstead Abbey, hatte ihm hinterherreisen müssen nach London und weiter nach Canterbury, zu lange hatte es gedauert, zu lange.
|178|
Nur für die Augen Seiner Exzellenz William Courtenay, Erzbischof von Canterbury und päpstlicher Legat in England, bestimmt. Hebe deine Augen fort, fremder Leser, es treffe dich der Fluch siechender Krankheit, so du dieses Schriftstück unbefugt zu lesen wagst!
Exzellenz, ich schreibe, um Euch mitzuteilen, daß L. in B. Söldner anheuert. Ähnliches höre ich von N., C. und M., es ist nicht zu verkennen, daß sich der Bund auf eine Schlacht vorbereitet. Ich habe H. gesehen. Er predigt Schreckliches und wiegelt die Bauern auf. Die Welt gerät aus den Fugen. Noch ist es ein schwaches Zittern, aber ich ahne das große Beben, das ihm folgen wird.
Handelt rasch! Lady A. von A.
Philip Repton trat ein und kratzte sich verlegen den Handrücken. William faltete erst den Brief zusammen, dann sah er Repton an. »Du weißt, wann ich das Amt des Erzbischofs von Canterbury angetreten habe?«
»Vor fünf Jahren, Herr.«
Es tat ihm wohl, daß Repton ihn so nannte. Der Überläufer kannte keinen Respekt vor einem hohen Amt. Wenn er ihn fürchtete, dann jagten ihm nicht Stola und Bischofsring Angst ein, sondern seine Kraft, seine ganz persönliche Kraft. »Und zwar nachdem mein Vorgänger, Simon Sudbury, im Tower von Aufständischen geköpft worden ist.«
»Man droht Euch?«
»Mir persönlich? Du unterschätzt die Lage, Philip. Man droht der gesamten Kirche Englands.« Es war ausgesprochen. Nichts weniger als das wagten sie! Sie versuchten alles zu zerstören, was er mühevoll vor der Vernichtung durch Wycliffe bewahrt hatte. »Das Parlament spielt verrückt. Sie haben eine Reformkommission eingesetzt, und natürlich läßt sich König Richard das nicht gefallen. Er zieht durchs Land und sammelt Anhänger für ein Heeresaufgebot.«
»Verzeiht, ich verstehe nicht.« Repton kniff die Augen zusammen und machte ein erbärmliches Gesicht. Das Kinn |179| wurde noch winziger, spitz ragte es aus dem Gesicht. Der Mund war ein kaum sichtbarer Spalt, und Schweißperlen glänzten auf den Wangen. »Der König unterstützt den Bund der Bedeckten Ritter. Sollte es uns nicht freuen, wenn seine Krone wackelt?«
»Unfug! Kannst du dir nicht denken, was er in seiner Verzweiflung tun wird? Wenn man alle Kirchengüter enteignet, dann ergäbe das fünfzehn neue Earls, eintausendfünfhundert neue Ritter und sechstausendzweihundert neue Esquires. So reden sie im Palast. Dankbare und treue Untergebene ließen sich so schaffen, die der König jetzt dringender benötigt als je zuvor. Verstehst du nicht? Die Kirche wird er antasten in seiner Not!«
»Aber warum braucht der König Hilfe? Es kann doch niemand wagen, ihm entgegenzutreten.«
Courtenay nahm ein Stück getrockneten Pilz zwischen Daumen und Zeigefinger und reichte es dem Eichhörnchen durch die Gitterstäbe. Das Tier hatte mehr Verstand als dieser Tölpel von einem
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