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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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haben sie mir schon einmal gestellt, als es mit dem Schwert nichts werden wollte. Ich habe mich an mein altes Pferd erinnert und gesagt, daß ich mit Gäulen gut umgehen kann. Hat man mich zum berittenen Boten gemacht? Weit gefehlt. Du siehst, wohin es mich gebracht hat.«
    »Wie lange hast du geübt mit dem Schwert?«
    »Eine Woche. Es ging nicht, wirklich. Dieser ganze Unfug, auf Holzpuppen einzuschlagen oder vorher zu wissen, wo man mich treffen will – dazu tauge ich nicht. Sie haben gesagt, daß ich nicht einmal einer Vogelscheuche den Arm abschlagen könnte.«
    |172| »Das Zielen ist also die Schwierigkeit?«
    »Gib mir einen guten Kieselstein, und ich treffe von hier aus die Spitze der Kathedrale.«
    »Du scherzt.«
    »Ich meine es ernst. Aber was nützt das? Soll ich fragen, ob ich als Kieselsteinwerfer arbeiten kann?«
    »Nicht als Kieselsteinwerfer. Komm mit.«
    Der Pförtner hatte es plötzlich sehr eilig. Er lehnte die Mistgabel an die Wand des Unterstands und hastete zu den Werkhäusern hin. Alan folgte ihm. »Was soll das?«
    »Wenn David dir Arbeit gibt, hast du ausgesorgt.«
    Neben dem Gänsegatter, in das Alan und seine Schwester damals hineingesprungen waren, verlief ein längliches Wiesenstück zwischen der Stiftsmauer und den aneinandergereihten Werkhäusern der Zimmerei, der Schmiede und der Ziegelei. Am Ende der Wiese waren Zielscheiben aufgestellt wie riesige, geflochtene Bienenkörbe, auf die man rote und schwarze Kreise gemalt hatte. Einige Männer saßen am Wiesenrand im Freien. Sie kochten Wachs in einem Topf und zogen Flachsfäden hindurch. Hinter ihnen lehnten buntbemalte, mannshohe Stäbe an der Rückwand der Ziegelei.
    Der Pförtner sprach einen grauhaarigen, runzeligen Mann an. »David, ich habe hier jemanden, den du zum Langbogenschützen ausbilden kannst.«
    Der Mann musterte Alan. »Er ist zu alt. Bring mir einen neunjährigen Jungen, und ich mache etwas aus ihm.«
    »Ich bin vierundzwanzig«, sagte Alan. »Ich kann noch gut lernen.«
    »Natürlich. Melde dich bei Sir William Nevill in Nottingham, und man bringt dir bei, eine Armbrust zu spannen und sie abzufeuern. Vielleicht braucht er gerade jemanden.«
    Der Pförtner fragte: »Und Bogenschießen?«
    »Bogenschießen erlernt man von Kindesbeinen an. Für Erwachsene ist es zu spät.«
    »Sehr schade.«
    Alan stemmte die Füße fest auf den Boden. »Laß mich einen |173| einzigen Pfeil schießen! Laß mich beweisen, daß ich es kann.«
    David schüttelte den Kopf.
    Die Männer aber riefen: »Komm, gönne uns den Spaß! Laß ihn schießen.«
    Mit einem Seufzen erhob sich David, nahm einen der Stäbe von der Wand. Er zog ein kleines Beutelchen aus seiner Kleidung hervor. Dem Beutel entnahm er eine zusammengerollte Bogensehne. Er legte ein Ende der Sehne in die Kerbe der Hornnocke an der Spitze des Stabes, dann warf er sich mit seinem ganzen Körpergewicht in den Stab, um ihn zu biegen, und befestigte das andere Ende an der unteren Nocke. Es ging sehr schnell, es mußten Handgriffe sein, die David beherrschte, ohne darüber nachzudenken. Er nahm eine lederne Armschiene auf und reichte sie Alan, dazu einen Handschuh.
    Alan wollte sie anziehen, und die Männer brachen in lautes Gelächter aus. Er hielt inne.
    David wies auf Alans linken Arm. »Dorthin gehören sie, nicht auf die andere Seite. Sie schützen dich vor der zurückschnellenden Bogensehne.«
    Es war eine fremde Berührung, das kühle Leder an seinem Unterarm. Zwischen den Fingern kniffen die Nähte des Handschuhs. David reichte ihm den Bogen. Er wog schwer, Alan hätte nicht geglaubt, daß ein Stecken ein solches Gewicht haben konnte. Zur Probe zog er ein wenig die Sehne. Sie war so straff gespannt, daß sie sich kaum bewegte. David gab ihm einen Pfeil. Auch der Pfeil wog schwer. Er trug eine eiserne Spitze und drei weiße Federzipfel am Schaft.
    Was tue ich hier? fragte sich Alan.
    In der Mitte des Bogens war Garn um das Holz gewickelt, dort umfaßte er ihn. Er machte einige Schritte auf das Wiesenstück hinaus. Die Zielscheiben waren plötzlich um Längen weiter in die Ferne gerückt, sie flohen vor ihm.
    Alan hob den Bogen an, setzte den Pfeil auf. Er fügte sich gut mit der Kerbe in die Sehne. In Augenhöhe zog er ihn vor das Gesicht und versuchte, die Sehne zu spannen.
    |174| »Augenblick«, sagte David. »Der Pfeilschaft hat rechts vom Bogen zu liegen.«
    Alans Oberarm schmerzte bereits. Er legte den Pfeil auf der anderen Seite an den Bogen an und zog erneut an der

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