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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Tage.«
    »Er war mein Pächter? Welches Interesse sollte ich haben, meine eigenen Pächter zu verjagen? Durch die Pest liegen viele Grundstücke brach, die Scheunen verfallen, die Schafhürden werden morsch, auf den Äckern schießt das Unkraut in die Höhe. Ich bin froh über jedes Stück Land, das bewirtschaftet wird. Zudem ist das Haus eines Pächters mein Eigentum. Warum sollte ich es zerstören, anstatt einfach nur den Pächter zu verjagen, wenn er mir nicht paßt? Dein Vorwurf ist unsinnig. Ich warne dich: Wer mich einen Lügner nennt, muß die Unterredung mit meinem Schwert fortführen.«
    Er sprach frei und klar. Nevills Stimme haftete nicht der faserige Pilz der Lüge an, der ihren Klang dämpfen würde. Was, wenn er die Wahrheit sagte?
    Sie wußte nun, wo Hereford sich aufhielt. Sie konnte nach Newstead Abbey zurückkehren und dieses Wissen gegen Hawisia eintauschen. Aber verriet sie damit den Richtigen? Hatte Elias diesen Professor unterstützt, und sie lieferte ihn nun ans Messer?
    Es klopfte.
    In Nevills Gesicht spiegelten sich Zorn und Mitleid. »Setze die Kapuze auf!« befahl er. »Es ist besser, man sieht dich hier |239| nicht. Dein Mann hat der guten Sache gedient, um seinetwillen sollst du verschont bleiben. Ich will vergessen, was geschehen ist. Gehe jetzt!«
    Sie zog die Kapuze über den Kopf. Nevill selbst öffnete die Tür, um Catherine hinauszuschieben. Im Türrahmen stieß sie mit einem Mann zusammen, sie sah nur seine Schuhe, er sagte: »Verzeiht.« Die Tür schloß sich hinter ihm.
    Catherine erstarrte zu Stein. Es war die Stimme des Mörders.
     

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    Als Habenichts war er ausgezogen, als gutbezahlter Langbogenschütze kehrte er zurück. Er hatte einen Beruf, den man schätzte. Er gehörte zu einer Gruppe von Männern, die überall hoch angesehen waren, in England, in Frankreich, in Flandern. Sie hatten die Schlachten von Falkirk und Crécy entschieden, von Poitier. Überall in Europa versuchte man, englische Langbogenschützen anzuwerben. Manche von denen, die David ausgebildet hatte, dienten inzwischen in den Heeren des deutschen Ordens. Alan bewunderte ihn.
    Dem Alten konnte niemand etwas vormachen. Mit seinem knorrigen Bogen traf er genauer als alle anderen. Ein Bogen mit Knoten im Holz – und doch flogen die Pfeile des alten Meisters weiter als die des kräftigsten seiner Schüler.
    Seit er den ersten Pfeil ins Schwarze gesetzt hatte, als niemand damit rechnete, wurde er von David bevorzugt behandelt. Die anderen Bogenschützen waren träge Schläfer, sie tranken Ale bis in die Nacht und waren dann am Morgen nicht aus ihren Träumen zu rütteln. Alan aber kannte hartes Arbeiten. Er stand vor dem ersten Hahnenschrei auf, nahm Bogen und Pfeile, schlich sich auf die Wiese und schoß. Bevor die anderen Schützen wach waren, hatte er hundert Pfeile auf die Zielscheiben gebracht. Es blieb nicht unbemerkt. Der Meister machte es sich bald zur Gewohnheit, Alan im Morgengrauen Gesellschaft zu leisten. Gemeinsam schossen sie. Der Alte gab Ratschläge, verbesserte Alans Haltung, erklärte ihm, wie der Wind den Flug der Pfeile veränderte.
    Manchmal nannte er ihn Wunderkind. Er wollte nicht glauben, daß Alan noch nie einen Bogen in der Hand gehalten hatte. »Wunderkind«, murmelte Alan und lächelte. Er hatte seinen Weg gefunden. Wenn er nun vor den Vogt trat, bat er |241| nicht, er schenkte. Der Vogt konnte froh sein, daß Alan ihm die Hartherzigkeit vergab und immer noch bereit war, um Mays Hand anzuhalten.
    Es war früh am Morgen. Wie Milch floß der Himmel auf die Erde herab. Die Bäume am Straßenrand standen als schwarze Schattenrisse vor dem Horizont. Alan war der erste Wanderer des Tages: Seine Schritte verscheuchten Eidechsen, Blindschleichen, Igel. Auf einem Rübenfeld wühlten Schweine ihre Rüssel in den Boden.
    Alan schritt kräftig aus. Wie er gezittert hatte, als er damals beim Vogt um Steuernachlässe gebeten hatte! Heute war er ein anderer Mensch, er war ein freier Mann, kein Pächter. Er war dem Vogt ebenbürtig.
    An seinem alten Acker am Rand des Dorfes wanderte er vorüber. Er gehörte zu einem fremden Leben, er interessierte nicht mehr. Allerdings wunderte es Alan, daß das Haus nicht wieder aufgebaut war. Es lag in Trümmern, genau so, wie er es vergangenen Herbst zurückgelassen hatte. Auf dem Acker wuchs wildes Kraut zwischen Strohstoppeln. Man hatte hier keinen einzigen Handschlag getan. Warum war das Land nicht neu verpachtet?
    Er begegnete den ersten

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