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Die Brooklyn-Revue

Die Brooklyn-Revue

Titel: Die Brooklyn-Revue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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unter dem energischen Einflussseiner neu gefundenen Frau aufblühte. Binnen Tagen nach Honeys Ankunft gab er sein Zaudern, was er mit der Erbschaft anfangen sollte, auf und entschloss sich, das Haus zu verkaufen. Mit ihrer Hälfte des Erlöses hätten die beiden mehr als genug, sich eine Zwei- oder Dreizimmerwohnung in der Gegend anzuschaffen, und danach bliebe auch noch etwas übrig, womit sie sich über Wasser halten konnten, bis sie einen festen Job gefunden hätten – sehr wahrscheinlich zu Beginn des nächsten Schuljahrs als Lehrer an einer Privatschule. Monate vergingen, und bis Mitte Oktober hatte Tom fast zwanzig Pfund abgenommen und sah halbwegs wieder so aus wie der junge Dr.   Thumb von damals. Hausmacherkost war ihm offensichtlich zuträglich, und trotz seiner gegenteiligen Vorhersagen war nichts davon zu spüren, dass Honey ihn ermüdete, bedrückte oder entmutigte. Einen Tag um den andern machte sie ihn etwas mehr zu dem Mann, der er schon immer hatte werden sollen.
    So viele positive Entwicklungen in der Abteilung Liebe könnten den Leser zu der Annahme verleiten, in unserem Fleckchen Brooklyn habe allgemeines Glück geherrscht. Doch leider sind nicht alle Ehen von Bestand. Jeder weiß das, aber wer von uns wäre darauf gekommen, dass in diesen Monaten die am wenigsten glückliche Person in unserem Viertel Toms ehemalige Flamme war, die Schöne Perfekte Mutter? Gewiss, ihr Mann hatte bei unserer Feier im Prospect Park einen schlechten Eindruck auf mich gemacht, aber nicht in hundert Jahren hätte ich mir träumen lassen, dass er so dumm sein konnte, eine solche Frau wie selbstverständlich als sein Eigentum zu betrachten. Die Nancy Mazzucchellis dieser Welt sind äußerst dünn gesät, und wenn ein Mann das Glück hat, das Herz einer Mazzucchelli zu erobern, hat er von da an nur noch die Aufgabe, mit allen Kräften dafür zu sorgen, dass er es nicht wieder verliert.Aber Männer sind (wie ich in früheren Kapiteln dieses Buches hinreichend gezeigt habe) dumme Geschöpfe, und der Schönling James Joyce erwies sich gar als noch dümmer als die meisten. Da Nancys Mutter und ich im Sommer Freundschaft geschlossen hatten (mehr davon später), war ich häufig Gast im Haus der Familie in der Carroll Street, und dort erfuhr ich von Jimmys Sünden der Vergangenheit und sah seine Ehe mit Nancy in die Brüche gehen. Angefangen hatte der Blödsinn schon vor langer Zeit, als es noch gar keine S. p. M. gegeben hatte – vor gut sechs Jahren, als Nancy mit ihrem ersten Kind, Devon, schwanger war. Da hatte ihr Mann eine Affäre mit einer Kellnerin aus Tribeca; sie kam dahinter und warf ihn vorübergehend hinaus, doch als das Kind dann geboren war, hatte sie nicht die Kraft, seinen tränenreichen Versprechungen, er werde so etwas nie wieder tun, weiteren Widerstand entgegenzusetzen. Aber Worte zählen in solchen Angelegenheiten nicht viel, und wer weiß, wie viele heimliche Liebschaften dieser ersten noch folgten? Nach Joyces Schätzung waren es nicht mehr als sieben oder acht, One-Night-Stands und Quickies bei der Arbeit mitgerechnet. Nancy, die Großmut und Nachsicht in Person, wollte den Gerüchten nicht glauben. Dann aber verknallte sich Jim in eine Kollegin, die Geräuschemacherin Martha Ives, und das war’s dann. Er sagte, er sei verliebt, und am 11.   August 2000, zwei Monate nachdem ich ihn beim Verstreuen von Harrys Asche zum ersten Mal gesehen hatte, packte er seine Sachen und ging.
    Zwölf Tage später erfuhr ich von meinem Onkologen, dass meine Lungen immer noch sauber waren.
    Vier Tage danach heckte Rachel gemeinsam mit Tom und Honey einen teuflischen Plan aus, der darauf hinauslief, mich glauben zu machen, mir stünde der Besuch eines Baseballspiels im Shea Stadium bevor – während mich inWirklichkeit eine Überraschungsparty zu meinem sechzigsten Geburtstag erwartete. Der Plan sah vor, dass ich Tom in seiner Wohnung abholen sollte, doch als ich zur Tür hereinkam, fiel ein Dutzend Leute mit Küsschen hier, Küsschen da und vielem Schulterklopfen über mich her, nicht zu reden von dem lautstarken Ständchen, das mir dann auch noch gebracht wurde. Ich war auf diese gutmütige Attacke und den Schock, der mir durch alle Glieder fuhr, so wenig vorbereitet, dass ich mich beinahe übergeben hätte. Die Feier ging bis tief in die Nacht, und irgendwann ließ ich mich breitschlagen, eine Rede zu halten. Der Champagner war mir ohnehin schon zu Kopf gestiegen, und ich muss reichlich geschwafelt und viel dummes

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