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Die Brooklyn-Revue

Die Brooklyn-Revue

Titel: Die Brooklyn-Revue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Rouge auf den Lippen einmal abgesehen, und ihre Kleidung war geradezu übertrieben konventionell: blauer Faltenrock, weißer Kaschmirpullover, unauffällige braune Pumps. Keine Ohrringe,überhaupt nur ein einziger Ring am Ringfinger ihrer rechten Hand, und nichts um den Hals. Tom zögerte, das Thema anzusprechen, hätte aber gern gewusst, ob sie noch das große Adlertattoo auf der linken Schulter hatte oder ob sie, aus dem Drang heraus, sich zu läutern, alle Spuren ihres früheren Lebens auszulöschen, die schmerzliche Prozedur auf sich genommen und den verschnörkelten bunten Vogel hatte entfernen lassen.
    Keine Frage, sie freute sich, ihn zu sehen, zugleich aber spürte er, wie sehr es ihr widerstrebte, von irgendetwas anderem als der Gegenwart zu sprechen. Sie entschuldigte sich nicht dafür, dass sie sich so lange nicht gemeldet hatte, und als er fragte, wie es ihr seit Ann Arbor ergangen sei, huschte sie mit wenigen Sätzen darüber hinweg. Brave New World hatten sich nach weniger als einem Jahr getrennt; danach sang sie bei zwei anderen Bands in Nordkalifornien; sie hatte Männer, viele Männer, und nahm Drogen, viele Drogen. Schließlich gab sie Lucy bei zwei Freundinnen in Oakland ab – einem lesbischen Pärchen, beide Ende vierzig – und ging in eine Rehabilitationsklinik, wo sie es binnen sechs Monaten schaffte, clean zu werden. Das ganze Epos erzählte sie in knapp zwei Minuten, und da es so verwirrend schnell an ihm vorbeirauschte, kam Tom gar nicht dazu, sie nach Einzelheiten zu fragen. Dann sprach sie von einem David Minor, ihrem Gruppenleiter in der Klinik, der zu der Zeit, als sie aus dem Entzug kam und in das Programm einstieg, bereits geheilt war. Er ganz allein habe sie gerettet, sagte sie, ohne ihn hätte sie das niemals durchgehalten. Mehr noch, außer ihm kenne sie keinen einzigen anderen Mann, der sie nicht für blöd halte, der nicht vierundzwanzig Stunden am Tag an Sex denke, der nicht nur hinter ihrem Körper her sei. Abgesehen von Tom natürlich, aber Schwestern dürften ja nun mal nicht ihre Brüder heiraten, oder?Das verstoße gegen die Gesetze, und deshalb werde sie eben David heiraten. Sie seien bereits nach Philadelphia gezogen und wohnten, solange sie beide noch Arbeit suchten, bei seiner Mutter. Lucy gehe auf eine gute Schule, und nach der Hochzeit wolle David sie adoptieren. Deswegen sei sie nach New York gekommen: Sie wolle sich Toms Segen erbitten und ihn fragen, ob er bereit sei, zu der Feier zu kommen und sie zum Altar zu führen. Ja, sagte Tom, natürlich sei er bereit, er fühle sich geehrt. Aber was war mit ihrem Vater, müsste eigentlich nicht er seine Tochter zum Altar führen? Schon möglich, sagte Aurora, aber der interessiere sich für sie beide nicht, oder? Der sei zu sehr mit seiner neuen Frau und den neuen Kindern beschäftigt, und außerdem sei er zu geizig, den Flug von L.   A. nach Philadelphia zu bezahlen. Nein, sagte sie, Tom sei der Richtige. Tom und sonst niemand.
    Er bat sie, ihm etwas mehr von David Minor zu erzählen, aber sie äußerte sich nur in vagsten Gemeinplätzen, was darauf hinzudeuten schien, dass sie nicht so viel über ihren künftigen Mann wusste, wie sie hätte wissen sollen. David liebe sie, er respektiere sie, er sei nett zu ihr und so weiter; aber nichts in diesen Phrasen war handfest genug, dass Tom sich ein Bild von dem Mann machen konnte. Dann senkte Aurora die Stimme fast zu einem Flüstern und fügte hinzu: «Er ist sehr religiös.»
    «Religiös? Auf welche Religion bezieht sich das?», fragte Tom und gab sich Mühe, nicht allzu beunruhigt zu erscheinen.
    «Das Christentum. Na ja, Jesus und so.»
    «Was heißt das genau? Ist er Angehöriger einer bestimmten Konfession, oder reden wir von einem spätberufenen Fundamentalisten?»
    «Spätberufen, nehme ich an.»
    «Und was ist mit dir, Rory? Glaubst du daran?»
    «Ich versuch’s, aber ich bin wohl nicht sehr gut in so was. David sagt, ich muss Geduld haben, eines Tages gehen mir die Augen auf, und ich sehe das Licht.»
    «Aber du bist zur Hälfte Jüdin. Nach jüdischem Gesetz bist du zur Gänze Jüdin.»
    «Ich weiß. Wegen Mom.»
    «Und?»
    «David sagt, das spielt keine Rolle. Jesus war auch Jude, und er war Gottes Sohn.»
    «David scheint ja viel zu sagen. Hat er dich auch dazu gebracht, dir die Haare zu schneiden und dich anders anzuziehen?»
    «Er zwingt mich nie zu irgendetwas. Ich hab das getan, weil ich es wollte.»
    «Mit Davids Unterstützung.»
    «Für eine Frau ziemt

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