Die Brooklyn-Revue
sich Bescheidenheit. David sagt, das fördert meine Selbstachtung.»
«David sagt.»
«Bitte, Tommy, sei lieb. Ich weiß, du magst so was nicht, aber ich habe endlich Aussicht auf ein wenig Glück gefunden, und das will ich mir nicht durch die Finger rinnen lassen. Wenn David will, dass ich mich so anziehe – na und? Früher bin ich rumgelaufen wie eine Schlampe. Das hier ist besser für mich. Ich fühle mich sicherer, ordentlicher. Nach dem ganzen Mist, den ich gebaut habe, bin ich froh, dass ich noch am Leben bin.»
Tom hielt sich zurück und schlug einen anderen Ton an, und als sie später unter heftigen Umarmungen und aufrichtigen Küssen voneinander Abschied nahmen, schworen sie sich, den Kontakt nie mehr abreißen zu lassen. Tom war überzeugt davon, dass Aurora es diesmal ernst meinte, doch der Tag der Hochzeit rückte näher, und er hatte immernoch keine Einladung erhalten – keinen Brief, keinen Anruf, keine Nachricht, nichts. Als er die Nummer mit der Vorwahl von Philadelphia anrief, die sie ihm beim Essen auf eine Papierserviette gekritzelt hatte, erklärte ihm eine Automatenstimme, dass der Anschluss nicht mehr in Betrieb sei. Dann versuchte er sie über die Auskunft aufzuspüren, aber nicht einer von den drei David Minors, mit denen er sprach, hatte je von einer Aurora Wood gehört. Wie zu erwarten, gab Tom sich selbst die Schuld daran. Wahrscheinlich hatte er Aurora mit seinen abfälligen Bemerkungen über die Frömmigkeit ihres Verlobten verletzt, und wenn sie ihm von ihrem atheistischen Bruder in New York erzählt hatte, hatte er ihr womöglich verboten, ihn zur Hochzeit einzuladen. Das wenige, was Tom über Minor gehört hatte, ergab genau das Bild eines solchen Mannes: einer dieser anmaßenden Eiferer, die anderen immerzu Vorschriften machen müssen, ein scheinheiliger Saukerl.
«Seither was von ihr gehört?», fragte ich.
«Nichts», sagte Tom. «Diese letzte Begegnung war vor ungefähr drei Jahren, und ich habe keine Ahnung, wo sie steckt.»
«Was hältst du von der Telefonnummer, die sie dir gegeben hat? Meinst du, die war echt?»
«Rory hat manche Fehler, aber eine Lügnerin ist sie nicht.»
«Falls die beiden umgezogen sind, hättest du sie vielleicht über die Mutter erreichen können.»
«Hab ich versucht, ebenfalls vergeblich.»
«Seltsam.»
«Nicht unbedingt. Vielleicht heißt sie ja gar nicht mehr Minor. Auch Ehemänner können sterben. Oder sie sind längst geschieden. Und sie hat nochmal geheiratet und trägt jetzt den Namen ihres zweiten Mannes.»
«Das tut mir sehr Leid für dich, Tom.»
«Nicht doch. Das ist es nicht wert. Wenn Rory mich sehen wollte, würde sie anrufen. Ich hab mich inzwischen ziemlich damit abgefunden. Natürlich fehlt sie mir, aber was soll ich denn sonst noch machen?»
«Und dein Vater? Wann hast du den das letzte Mal gesehen?»
«Vor ungefähr zwei Jahren. Er war in New York wegen eines Artikels, an dem er schrieb, und hat mich zum Essen eingeladen.»
«Und?»
«Na, du kennst ihn ja. So richtig reden kann man mit ihm nicht.»
«Und die Zorns? Hast du zu denen noch Kontakt?»
«Gelegentlich. Philip lädt mich jedes Jahr zu Thanksgiving nach New Jersey ein. Solange er mit meiner Mutter verheiratet war, habe ich ihn nicht besonders gemocht, aber inzwischen habe ich meine Meinung geändert. Ihr Tod hat ihn wirklich schwer getroffen, und als ich begriff, wie sehr er sie geliebt hatte, konnte ich ihm nicht mehr böse sein. Jetzt sind wir ganz gut befreundet, wir respektieren uns. Mit Pamela ist es genauso. Ich hatte sie immer für eine hirnlose Wichtigtuerin gehalten, für eine dieser Frauen, die sich nur dafür interessieren, welches College man besucht und wie viel Geld man verdient, aber sie scheint sich mit den Jahren gebessert zu haben. Sie ist jetzt fünfunddreißig oder sechsunddreißig und mit einem Anwalt verheiratet, die beiden leben mit ihren zwei Kindern in Vermont. Wenn du mich dieses Jahr zu Thanksgiving nach New Jersey begleiten willst, werden sie dich sicher gern kennen lernen.»
«Ich denk drüber nach, Tom. Du und Rachel, ihr reicht mir fürs Erste an Familie. Noch ein Ex-Verwandter mehr, und ich halt’s nicht mehr aus.»
«Wie geht’s Cousine Rachel eigentlich? Ich hab mich noch gar nicht erkundigt.»
«Gute Frage, mein Junge. Ihr selbst geht es anscheinend gut. Guter Job, anständiger Mann, schöne Wohnung. Aber wir hatten vor ein paar Monaten eine kleine Meinungsverschiedenheit, und die Sache ist noch längst nicht
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