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Die Brooklyn-Revue

Die Brooklyn-Revue

Titel: Die Brooklyn-Revue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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nicht verlangen. Das ist nicht Ihr Ernst.»
    «Ich sehe Bücher, Harry. Sie nicht? Ich sehe Hunderte von Büchern. Und nicht etwa irgendwelche Bücher, sondern Erstausgaben, sogar signierte Erstausgaben. Ganz zu schweigen von den Sachen in den Schubladen und Schränken darunter. Manuskripte. Briefe. Autographen. Überlassen Sie uns den Inhalt dieses Zimmers, und wir betrachten die Schuld als beglichen.»
    «Dann bin ich ruiniert. Dann bin ich vernichtet.»
    «Erwägen Sie die Alternativen, Mr.   Dunkel-Brightman. Was ist Ihnen lieber: Gefängnis wegen Betrugs, oder ein stilles, friedliches Leben als Antiquar? Überlegen Sie es sich gut. Gordon und ich kommen morgen mit einem Umzugswagen und einigen Möbelpackern. Das dauert nur ein paar Stunden, dann sind Sie uns für immer los. Wenn Sie versuchen, uns aufzuhalten, greife ich zum Telefon und hole die Polizei. Es ist Ihre Entscheidung, Harry. Leben oder Tod. Ein ausgeräumtes Zimmer – oder zum zweiten Mal ins Gefängnis. Ob Sie uns die Bücher morgen geben oder nicht, Sie verlieren sie sowieso. Das haben Sie doch verstanden, oder? Seien Sie klug, Harry. Sträuben Sie sich nicht. Wenn Sie kampflos aufgeben, tun Sie allen einen Gefallen – vor allem sich selbst. Erwarten Sie uns zwischen elf und Mittag. Ich wäre gern präziser, aber bei demVerkehr heutzutage kann man nie wissen.
À demain,
Harry.
Ta ta.
»
    Dann ging die Tür auf, und als Dryer und Trumbell sich an ihm vorbeischoben, spähte Rufus ins Büro und sah Harry an seinem Schreibtisch sitzen, den Kopf in den Händen und schluchzend wie ein kleiner Junge. Wäre Harry nur ein paar Minuten sitzen geblieben und hätte sich die Zeit genommen, über das Vorgefallene nachzudenken, dann wäre ihm klar geworden, dass Dryer und Trumbell nichts gegen ihn in der Hand hatten, dass die Drohung, ihn der Polizei auszuliefern, nur ein plumper, stümperhafter Bluff sein konnte. Wie hätten sie, ohne sich selbst mit hineinzuziehen, beweisen können, dass Harry wissentlich ein gefälschtes Manuskript hatte verkaufen wollen? Wenn sie behaupteten, von der Fälschung zu wissen, würden sie auch den Fälscher der Polizei übergeben müssen – und wie groß waren die Chancen, dass Ian Metropolis seine Beteiligung an dem Schwindel eingestehen würde? Vorausgesetzt, natürlich, es gab überhaupt einen Ian Metropolis, was mir immer unwahrscheinlicher vorkam. Das Gleiche galt für die drei so genannten Experten, die sein Werk angeblich begutachtet hatten. Ich vermutete stark, dass Dryer und Trumbell das Hawthorne-Blatt selbst fabriziert hatten, und leichtgläubig, wie Harry nun einmal war, dürfte es ihnen nicht schwer gefallen sein, ihm einzureden, dass es sich um die Arbeit eines Meisterfälschers handelte. Harry hatte mir erzählt, er habe sich, als wir in Vermont waren, mit Metropolis getroffen; aber wie konnte er wissen, dass dieser Mann der war, der zu sein er behauptete? Der Dickens-Brief hatte nichts zu besagen. Ob echt oder nicht, der Brief hatte mit der Sache nichts zu tun. Der Plan zu Harrys Vernichtung war von Anfang bis Ende ein Zwei-Mann-Unternehmen gewesen, mit dem kurzen Auftritt eines Dritten in verstellter Rolle. Zweinicht sehr raffinierte Gauner und ihr anonymer Spießgeselle. Allesamt Halunken.
    Aber Harry konnte an diesem Tag nicht klar denken. Wie sollte er auch, wenn sein Inneres nur noch eine offene Wunde war, ein eiternder Klumpen von verstörter Hirnmasse, explodierten Neuronen und elektrischen Kurzschlüssen? Wie konnte er vernünftig sein, wenn die Liebe seines Lebens ihn gerade mit einer Litanei monströser Beleidigungen überschüttet und sein geschlagenes Ich mit den Axthieben seiner Verachtung zerfleischt hatte? Wie konnte er gleichmütig sein, nachdem dieser Mann und sein neuer Partner ihre Absicht erklärt hatten, ihm alles zu rauben, was er besaß, und er sich machtlos fühlte, sie aufzuhalten? Konnte man Harry kritisieren, weil er es nicht fertig brachte, etwas vorausschauender zu denken? Konnte man ihm vorwerfen, dass er sich in einem Zustand absoluter, animalischer Panik befand?
    Als Rufus ins Büro trat, stand Harry von seinem Schreibtisch auf und schrie. Er brüllte ohne Worte, er bekam nicht einen einzigen zusammenhängenden Satz heraus, und die Töne, die aus seiner Kehle drangen, waren so furchtbar, sagte Rufus, so herzzerreißend in ihrer Qual, dass er vor Furcht zu zittern anfing. Dryer und Trumbell waren noch auf der Treppe auf dem Weg nach unten, und ohne sich um Rufus zu kümmern,

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