Die Bruderschaft Christi
freizulegen, und nicht, um mir weiterhin diesen Humbug anzuhören. Ich will von dieser Templergeschichte nichts wissen und ich will auch nicht damit in Verbindung gebracht werden. Haben Sie mich verstanden, Chaim! Ihr Konflikt mit der Kirche ist allein Ihre Sache.«
»Jonathan, alter Freund, es tut mir leid. Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Weswegen soll Ihr Name nicht mit dem wichtigsten Fund der Jerusalemer Gegenwart in Verbindung gebracht werden? Schließlich hat es die Welt Ihrer Gründlichkeit zu verdanken, dass wir wieder um einige Erkenntnisse reicher sind.«
Jonathan Hawke zog die Luft tief in seine Lungen. »Weil ich Christ bin und mich deswegen nicht schäme«, antwortete er und wandte sich um.
»Aber Sie sind auch Wissenschaftler, und die einzige Verpflichtung, die uns Wissenschaftlern gegeben ist, bleibt die Wahrheit. Nur deswegen sind wir auf der Suche nach Spuren unserer Vergangenheit. Erst wenn wir wissen, woher wir kommen, werden wir auch begreifen, wohin wir gehen.«
Jonathan Hawke hatte die Tür zum Labor bereits geschlossen. Rafuls Worte verhallten ungehört.
Kloster Ettal bei Oberammergau …
Die Vernehmung der Klosterbrüder in Ettal hatte keine neuen Hinweise ergeben, niemand hatte vom nächtlichen Mord im Kloster etwas bemerkt. Niemand außer diesem sonderbaren Bruder, der sich einbildete, dem Teufel höchstpersönlich begegnet zu sein. Nachdem ihm der Prior wiederholt erklärt hatte, dass der Tatort weit entfernt von den Schlafräumen der Brüder lag und der Schall sich in dem weiten Klosterareal verliere, hatte Bukowski kurzerhand Lisa in den Schuppen gesperrt und die Tür verschlossen. Lisas Schreie waren tatsächlich nicht bis zu den Schlafsälen vorgedrungen.
»Genau deswegen haben wir die Werkstätten und Stallungen in diesem Bereich untergebracht«, erklärte der Prior. »Der Schall bricht sich an den Mauern, und niemand wird durch die Arbeiten gestört.«
Lisa warf Bukowski einen skeptischen Blick zu.
»Dazu sind die Türen noch isoliert«, fügte der Prior hinzu.
»Vielen Dank«, antwortete Bukowski. »Sollten Sie dennoch etwas erfahren, das uns weiterhelfen könnte, dann rufen Sie mich einfach an.«
Bukowski reichte dem Prior seine Karte und verabschiedete sich.
Als er neben Lisa im Wagen Platz nahm, fluchte er leise.
»Also nichts mit deinem Bauchgefühl«, spottete sie. »Wohl doch nur Blähungen. Schade eigentlich, mordende und blutdürstige Klosterbrüder hätten dir mit Sicherheit eine große Schlagzeile in der Presse eingebracht.«
Bukowski überhörte den Spott in Lisas Stimme. »Damit können wir wenigstens objektiv eine Beteiligung an einem Komplott unter Mönchen ausschließen«, murmelte er. »Übrigens geht ein guter Kriminalist erst einmal allen Hinweisen und Möglichkeiten nach, bis er nach und nach durch geschickte Ermittlungen die Spreu vom Weizen trennt.«
»Dann waren das also Sondierungsgespräche?«, fragte Lisa.
Bukowski lehnte sich im Beifahrersitz zurück und legte den Kopf an die Scheibe. »Wenn du es so nennen willst«, antwortete er, bevor er die Augen schloss.
9
Jerusalem, Ausgrabungsstätte an der Straße nach Jericho …
»Mittellatein, Großbuchstaben ohne Trennung, die Sprache der Kirche und des christlichen Abendlandes, mitten in Jerusalem«, sagte Gina Andreotti und blickte auf das Hochglanzfoto, das vor ihr auf dem Arbeitstisch lag.
»Und glücklicherweise auch noch sehr sauber und deutlich ausgeführt«, antwortete Jean Colombare. »Der Schreiber hat sich ernsthaft Mühe gegeben.«
Gina blätterte in einem Fotoband, der Abschriften und Fotografien von Funden dokumentierte, die ebenfalls im Mittellatein des frühen 12. Jahrhunderts angefertigt worden waren. Ein paläografisches Vergleichswerk, um durch die Kalligrafie, die Schriftführung, die Ausformung der einzelnen Buchstaben und der sprachlichen Gestaltung die zeitliche Bestimmung eines Textes vornehmen zu können. Sie zeigte auf das Foto einer Grabplatte, die vor sieben Jahren in Rom gefunden und bereits zeitlich eingeordnet worden war.
»Die Bogenführung und Form der Buchstaben sind nahezu identisch«, sagte sie. »Die Grabplatte stammt aus dem Jahr 1141, damit könnte das Datum auf unserer Platte schlüssig sein.«
Colombare nickte. »Da gebe ich dir Recht. Wir haben einen Tempelritter aus der Zeit des ersten Kreuzzuges gefunden, der hier in Jerusalem verblieben ist.«
»Ich bin zwar nicht besonders bewandert in Sachen Templer, aber sie unterhielten
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