Die Bruderschaft Christi
hier in Jerusalem lange Jahre eine Komturei«, bemerkte Gina und legte ihren Fotoband aus der Hand. »Der Grabinschrift zufolge, haben wir es hier sogar mit einem hochgestellten Ritter, vielleicht sogar einem Großmeister der Templer zu tun. Ich habe die Grabinschrift weitestgehend übersetzt.«
»Und was steht nun auf dem Grab unseres einsamen Templers?«
Gina kramte in ihren Aufzeichnungen. Schließlich fand sie den Bogen Papier.
»Hier ruht in Gott unser Bruder, der edle Comté Renaud de Saint-Armand, der im Jahre des Herrn 1128 nach Christo im Heiligen Land gestorben ist. Dereinst von den Neunen, die schworen, dem Sohne unseres einzigen Gottes zu dienen und dessen Grabstätte vor den plündernden und gottlosen Heiden zu bewahren. Er starb im Leben, doch sein heiliger Eid überdauert die Ewigkeit bis an den Jüngsten Tag. Er möge seine Pflicht erfüllen, so wie wir Brüder in Christus uns verpflichten, unserem Bruder auf ewig zu dienen. Dieser Schwur sei allen kundgetan, die es wagen, die Ruhe unseres Bruders zu stören, auf dass sie schmoren in der ewigen Verdammnis. Und der Schatten des Todes wird über sie kommen.«
»Das steht dort geschrieben?«, fragte Jean Colombare erstaunt.
»Sinngemäß«, antwortete Gina. »Du weißt, dass es für einzelne Worte nur sinngemäße Übersetzungen gibt. Aber das ist der Konsens der Grabinschrift. Da bin ich mir sicher.«
»Wenn du dir sicher bist, dann steht das dort auch geschrieben«, entgegnete Jean Colombare mit einem Lächeln. »Schließlich bist du unsere Spezialistin. Hast du Jonathan schon informiert?«
Gina schüttelte den Kopf. »Jonathan ist ins Rockefeller gefahren. Er will sich dort mit Raful treffen. Ich glaube, er ist ganz schön angefressen, weil Raful uns benutzt hat. Jonathan ist überzeugt, dass Raful von dem Grab wusste und er die Grabung nach der römischen Garnison nur als Vorwand nutzte.«
Jean Colombare fuhr sich durch die dichten schwarzen Haare und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Im Zelt war es heiß und stickig.
»Egal, ich finde, dass sich unsere Grabungen jetzt schon gelohnt haben. Schließlich gibt es nicht viele gut erhaltene Grabstätten von europäischen Kreuzrittern in Israel und im Nahen Osten, noch dazu von Templern. Die meisten Grabstätten wurden geplündert und zerstört. Die Herrschaft der Kreuzritter währte nicht lange hier im Land der Wüsten.«
»Jonathan hat mich gebeten, nach dem Ursprung des Ritters zu forschen«, antwortete Gina. »Vielleicht hast du Zeit und kannst mir helfen. Ich denke, ein französischer Graf dürfte leicht zu finden sein.«
Jean Colombare griff nach den Fotos, die als Dokumentation über die Beschaffenheit der Grabstätte gemacht worden waren.
»Seine Brüder«, sagte er nachdenklich, »dereinst von den Neunen. Es war ihnen offenbar sehr daran gelegen, das Grab ihres Bruders gut zu verstecken. Sie haben damals sehr tief gegraben, um die Gruft zu verbergen.«
»Und sie haben eine Warnung an alle hinterlassen, die sich am Grab vergehen«, fügte Gina hinzu.
»Beinahe an jedem Grab eines bedeutenden Mannes waren Sprüche angebracht, die Unheil verkündeten, sollte jemand die Ruhe des Toten stören. Aber es hat nicht viel genutzt, weder bei den alten Ägyptern mit ihren Pyramiden noch bei den Kelten oder sonst irgendwo auf der Welt.«
»Diese Gruft hatten sie offenbar so gut versteckt, dass sie tatsächlich unentdeckt blieb«, antwortete Gina.
»Das Einzige, was mich stutzig macht, sind die Grabbeigaben«, fuhr Jean Colombare fort. »Ein Schwert ist logisch, wenn man einen Ritter beerdigt. Doch wie kommen dieser zerbrochene Wandteller und die schlanke Amphore in seinen Sarg?«
»Jemand hat sie hineingelegt«, antwortete Gina. »Sie sollten wohl ebenfalls nicht gefunden werden.«
»Sicher, aber warum? Und zudem stammt der Teller aus der Zeit um die Kreuzigung von Jesus Christus, wenn man Raful glauben darf. Das heißt, er ist über tausend Jahre älter.«
»Beinahe so, wie diese ominöse Amphore«, stimmte Gina zu. »Ich habe diese Form schon einmal gesehen. Griechisch, wenn du mich fragst.«
»Ja, das denke ich auch. Wo hast du sie schon einmal gesehen?«
Gina erhob sich und ging zu einem improvisierten Wandregal aus Obstkisten, in dem sie ihre Bücher und Nachschlagewerke aufbewahrte. Sie musste nicht lange suchen, bis sie das Buch gefunden hatte. Sie schlug eine bebilderte Seite auf und reichte Jean Colombare das Buch. Dieser verglich die Fotografie mit den Lithografien der
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