Die Bruderschaft Christi
der einzige Überlebende.«
»Das war in anderen Zeiten«, antwortete Pater Leonardo. »Damals war die Dunkelheit über die Erde hereingebrochen. Es lastete ein ungeheurer Druck auf den Gemeinden in Nazi-Deutschland. Ich glaube nicht, dass Hitlers Schergen vor der Kirche Halt gemacht hätten. Also haben sich einige Priester und Bischöfe mit dem Regime arrangiert, um selbst der Vernichtung zu entgehen.«
Pater Phillipo winkte ab. »Für ihn gibt es keine Gesamtheit der Dinge, für ihn ist die Kirche am Tod seiner Familie schuld. Alles andere lässt er nicht gelten.«
Pater Leonardo erhob sich und blickte aus dem kleinen Fenster direkt auf die Straße am Neuen Tor. Eine Gruppe japanischer Touristen, mit Fotoapparaten bewaffnet, ging den Weg entlang, verweilte kurz, betrachtete und fotografierte das Kloster, die Umgebung und das Neue Tor, ehe sie weiterzog und an der nächsten Ecke von den Gassen verschluckt wurde.
»Der Kardinalpräfekt wünscht, dass einige unserer Wissenschaftler der École an den Grabungsarbeiten teilnehmen können«, seufzte Pater Leonardo. »Die Kurie misst diesen Ausgrabungen sehr große Bedeutung bei und will darüber informiert werden, welche Fortschritte die Arbeiten am Fuße des Ölbergs machen.«
»Ich weiß«, antwortete Pater Phillipo.
»Könnt Ihr mir helfen?«
»Es ist schwieriger geworden«, antwortete Pater Phillipo. »Nach der Annexion Ostjerusalems durch Israel und der schützenden Hand Amerikas über dieses Staatsgebilde hat der Einfluss der Kirche auf die Stadtverwaltung nachgelassen. Aber es gibt Mittel und Wege. Vor allem über das Staatliche Amt für Altertümer, das sämtliche Grabungsarbeiten in und um Jerusalem genehmigt und überwacht, sähe ich eine Möglichkeit. Der Kustos hat bereits im Vorfeld seinen Einfluss geltend gemacht. Wir treffen uns heute Abend nach dem Gottesdienst mit einem hochrangigen Beamten und tragen ihm unsere Wünsche vor.«
»Am heutigen Abend schon?«
»Die Zeit drängt«, entgegnete Pater Phillipo. »Offenbar hat der Professor einen sehr wichtigen Fund gemacht, der seine Theorien unterstützt, und er wird nicht lange warten, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.«
Jerusalem, Grabungsstätte an der Straße nach Jericho …
Die Abendsonne brannte heiß auf die Erde herab. Noch immer war der Beamte des israelischen Amts für Altertümer mit der Untersuchung am zweiten Grabungsabschnitt beschäftigt. Wenigstens bestand er nicht mehr darauf, die Arbeiten an den drei anderen Abschnitten zu unterbrechen, nachdem er sich zuvor versichert hatte, dass die Sicherheitsbestimmungen dort eingehalten worden waren.
Inzwischen hatte man neben einer Wasserrinne ein paar kniehohe Grundmauern freigelegt und einige Fliesen gefunden, die auf ein römisches Badehaus schließen ließen.
»Wenn wir davon ausgehen, dass hier der Eingang war, dann haben wir dort das Apodyterium«, sagte Moshav und deutete auf einen Teil der Mauer. »Hier lag das Tepidarium und weiter hinten dürfte sich dann das Caldarium anschließen. Da müssen wir noch ein wenig graben.«
»Ein wenig ist gut gesagt«, antwortete Jean Colombare. »Beinahe ein Drittel des Baus liegt noch unter dem Schutt. Da muss Aaron noch eine ganze Menge Holz besorgen.«
»Machen wir morgen früh weiter«, sagte Tom und gähnte. »Ich bin heute hundemüde. Außerdem habe ich Hunger.«
»Vielleicht solltest du nachts mal schlafen«, antwortete Moshav verschmitzt.
»Was soll das heißen?«
»Das musst du Yaara fragen, wenn du nachts nicht zur Ruhe kommst.«
Tom kniff Moshav in den Po, dass dieser laut aufschrie.
Jonathan Hawke kam gemessenen Schrittes von der Zeltstadt über den staubigen Weg gelaufen. Gina und er waren im Rockefeller Museum gewesen, um mit Chaim Raful zu sprechen und ihn über die Untersuchung und den Unfall zu unterrichten. Mehrmals hatte er den Tag hindurch bereits telefonisch versucht, Raful zu erreichen, doch seine Versuche waren erfolglos geblieben.
»Habt ihr ihn gefunden?«, fragte Tom ohne Umschweife.
Jonathan Hawke schüttelte den Kopf. »Er wurde seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Gina ist außer sich. Der Sarkophag, die Leiche des Ritters, seine Rüstung, alles ist noch vorhanden und eingelagert, nur die Amphore und die Applike fehlen. Chaim hat sie bestimmt mitgenommen.«
»Wahrscheinlich sitzt er irgendwo im Verborgenen und bereitet seinen großen Auftritt vor«, mutmaßte Moshav.
»Vielleicht hast du Recht«, antwortete Jonathan nachdenklich. »Es ist nur
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