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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gefühllos. Vorsichtig legte sie ihr Ohr an die Tür, um zu lauschen. Dann beugte sie sich hinab und warf einen Blick durch den Spalt zwischen Tür und Boden. Die Luft schien rein zu sein.
    Mary atmete tief durch. Sie wusste, dass sie sich nicht ewig in diesem Turm verstecken konnte, aber zumindest für die vergangene Nacht war ihr die Kammer eine sichere Zuflucht gewesen. Sie erinnerte sich, dass die alte Kala die Turmkammer als einen der wenigen Orte der Burg bezeichnet hatte, in die das Böse noch nicht vorgedrungen war. Vielleicht war das der Grund dafür, dass Mary alle Überwindung aufbringen musste, um die rostige Klinke niederzudrücken und nach draußen zu schlüpfen.
    Vor der Tür war tatsächlich niemand. Lautlos einen Fuß vor den anderen setzend, stieg Mary die Stufen hinab. Den Köcher mit Gwynneths Aufzeichnungen presste sie an sich wie einen wertvollen Schatz. Sie waren alles, was ihr geblieben war, ihr einziger Trost.
    Dem Sonnenlicht nach zu urteilen, das durch die hohen, schmalen Öffnungen fiel, war es inzwischen Mittag. Man hatte ihr kein Essen gebracht, vermutlich wollte man sie dazu nötigen, ihr selbst gewähltes Exil zu verlassen. Wäre es nach ihrem Hunger gegangen, hätte Mary es noch geraume Zeit in der Turmkammer ausgehalten. Sie war genügsam, und es machte ihr nichts aus, Entbehrungen hinzunehmen. Und ohnehin litt sie lieber Hunger, als mit Malcolm of Ruthven an einem Tisch zu speisen.
    Leise huschte sie durch die Korridore, durch die sie in der Nacht in heller Panik geflohen war. Noch immer konnte sie die Angst fühlen, wie ein Echo, das durch die Burg geisterte. Mary hielt sich nicht damit auf, ihre Kammer aufzusuchen, sondern begab sich hinab zur Küche, wo das Gesinde zu Mittag aß. In Gegenwart der Bediensteten, so hoffte sie, würden die Ruthvens sich keine Blöße geben wollen und sie in Ruhe lassen.
    Den Speisesaal, wo Malcolm und seine Mutter vermutlich gerade aßen, umging sie und nahm die schmale, steile Treppe, die eigentlich den Dienstboten und Kammerzofen vorbehalten war. Auf diese Weise gelangte sie in jenen Bereich der Burg, in den die hohen Herrschaften gewöhnlich keinen Fuß setzten.
    Hier gab es keine Wandteppiche oder Gemälde, und die wenigen Möbel waren grob gezimmerte, derbe Schränke. Aus der Küche drang der Geruch von frisch zubereitetem Wildbret, das Marys Magen nun doch ein wenig knurren ließ. Eine Dienerin, die ihr mit einem Tablett entgegenkam, hätte es beinahe fallen lassen, als sie Mary erblickte.
    »Mylady!«, rief sie entsetzt.
    »Ruhig«, beschwichtigte sie Mary und blickte sich vorsichtig um. »Bitte, hab keine Angst, ich will dich nur etwas fragen.«
    »Wie Mylady wünschen.« Die Dienerin, eine junge Frau von vielleicht siebzehn Jahren, verbeugte sich flüchtig. »Was kann ich für Mylady tun?«
    »Ich suche jemanden«, erklärte Mary. »Eine alte Schottin, die hier als Dienerin arbeitet.«
    »Eine alte Schottin?« Das Mädchen blickte sie seltsam an. »Wie ist ihr Name?«
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte Mary ein wenig verlegen. »Ich dachte, sie wäre vielleicht hier. Sie ist sehr alt und hat weißes Haar.«
    Die Dienerin dachte kurz nach, schüttelte dann entschieden den Kopf. »Hier gibt es niemanden, der so aussieht«, erklärte sie schlicht.
    »Aber ich bin ihr mehrfach begegnet.«
    »Es tut mir Leid«, murmelte die Dienerin, »Mylady müssen sich irren.« Und noch bevor Mary etwas erwidern konnte, huschte sie mit ihrem Tablett schon den Gang hinab und verschwand um eine Biegung.
    Mary wusste sich darauf keinen Reim zu machen. Nun, das Mädchen war jung, möglicherweise arbeitete es noch nicht lange genug auf Burg Ruthven, um alle Bediensteten zu kennen. Mary redete sich ein, dass es so sein musste, und folgte dem Gang zur Küche. Dabei passierte sie den Speiseraum der Bediensteten – ein dunkles, fensterloses Gewölbe mit Ruß und Schimmel an der Decke. Ein langer, grob gezimmerter Holztisch und schäbige Stühle bildeten die karge Einrichtung, ein paar Kerzen auf dem Tisch verströmten spärliches Licht.
    Mary verspürte Beklemmung bei dem Gedanken, dass Kitty hier unten hatte speisen müssen. Auch wenn sie ihre Zofe vermisste und froh gewesen wäre, die Freundin an ihrer Seite zu haben, war es vielleicht besser, dass Eleonore sie nach Hause geschickt hatte. Zumindest brauchte sie das alles nicht mehr zu ertragen.
    Am Tisch saßen mehrere junge Burschen und waren damit beschäftigt, eine dünne Suppe zu löffeln. Von dem Wild, das

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