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Die Bruderschaft der Woelfe

Die Bruderschaft der Woelfe

Titel: Die Bruderschaft der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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witterte. Weiter vorn nahm er Fell und Wärme wahr: ein Hase im Gebüsch. Einen Augenblick lang blieb er sehr still liegen, während die strahlendhelle Herbstsonne auf ihn schien, und kostete den letzten warmen Kuß des Jahres aus.
    Vor ihm rührte sich nichts. Er roch den Hasen, konnte aber nichts erkennen.
    Er wühlte sich mit der Schnauze durch die Eichenblätter, bis er ein Loch sah, einen Bau, dunkel und verlockend. Wieder ließ er die Zunge vorschnellen, roch die Jungtiere in ihrem Bau.
    Es war Tag, und die Hasen drinnen schliefen sicher. Fast lautlos glitt er in die Tiefe.
    Über sich hörte er schweren Hufschlag von Pferden, und Zauberer Binnesman sagte: »Die Erde spricht zu uns. Sie spricht zu Euch und zu mir.«
    Gaborn fragte: »Was sagt sie?«
    »Das weiß ich nicht, noch nicht«, antwortete Binnesman.
    »Aber auf diese Weise spricht sie gewöhnlich zu mir: in der besorgten Geschäftigkeit von Kaninchen und Mäusen, im wechselnden Flug eines Vogelschwarms, in den Schreien der Gänse. Jetzt flüstert sie auch dem Erdkönig etwas zu. Ihr wachst, Gaborn. Eure Kräfte wachsen.«
    »Und doch kann ich die Erde nicht hören«, sagte Gaborn,
    »dabei würde ich ihre Stimme so gern hören.«
    »Vielleicht, wenn Eure Ohren länger wären«, antwortete der Zauberer im Traum. »Oder vielleicht, wenn Ihr sie an den Boden hieltet.«
    »Ja, ja natürlich, das werde ich tun«, erwiderte Gaborn begeistert.
    Er lag im Eingang des Baus und merkte, daß er lauschte, sich mit aller Kraft bemühte, etwas zu hören. Er ließ seine lange, gespaltene Zunge vorschnellen und witterte weiter vorn die jungen Hasen.
    In seinem Traum lief Gaborn über ein frisch gepflügtes Feld.
    Das Erdreich war vor kurzem umgegraben worden, und die großen Kluten waren mit einer Hacke zerschlagen und dann gerecht worden. Der Lehm war tief, der Boden gut.
    Seine Muskeln schmerzten von den langen Stunden der
    Arbeit, aber er roch den Frühlingsregen in der Luft, der bald niedergehen würde, und eilte mit einem spitzen Pflanzstock übers Feld. Damit bohrte er ein kleines Loch in das Erdreich, in das er ein schweres Samenkorn fallen ließ, um das Loch anschließend mit seinem Fuß zu schließen.
    So arbeitete er im Schweiße seines Angesichts.
    Er säte unbekümmert und dachte an nichts, bis er in der Nähe eine Stimme hörte.
    »Sei gegrüßt!«
    Gaborn drehte sich um und blickte zum Feldrain hinüber.
    Ein Steinzaun stand dort, an dem sich junge, blühende Wicken und Purpurwinden emporrankten. Auf der anderen Seite des Zaunes stand der Erdgeist.
    Der Erdgeist hatte die Gestalt von Gaborns Vater
    angenommen, war der äußeren Form nach Mensch geworden.
    Dennoch sah er aus wie ein Geschöpf der Erde – Sand und Lehm, Zweige und Blätter verschmolzen zu einem Ganzen, wo Fleisch hätte sein sollen.
    »Sei gegrüßt«, antwortete Gaborn. »Ich hatte gehofft, dich wiederzusehen.«
    »Ich bin immer da«, erklärte der Erdgeist. »Sieh zu deinen Füßen hinab, dann müßte ich ganz in der Nähe sein.«
    Gaborn arbeitete weiter, ließ weiter im Gehen schwere Samenkörner aus der Tasche seines Mantels fallen.
    »So«, sagte der Erdgeist, »du kannst dich also nicht
    entscheiden, ob du heute Jäger oder Gejagter sein willst, ob Hasenweibchen oder Schlange.«
    »Bin ich nicht beides?« fragte Gaborn.
    »Das bist du allerdings«, antwortete der Erdgeist. »Leben und Tod. Rachegott und Erlöser.«
    Auf einmal war Gaborn unbehaglich zumute, und er blickte sich um. Der Erdgeist war ihm bereits zuvor in Binnesmans Garten begegnet. Doch damals war der Zauberer dabeigewesen und hatte übersetzt. Die Erde selbst hatte in der Bewegung von Steinen, im Rauschen der Blätter, im Entweichen von Gasen tief aus dem Untergrund zu ihm
    gesprochen.
    Und der Erdgeist war ihm als ein Geschöpf aus Erdreich und Steinen erschienen – aber in Gestalt seines Feindes Raj Ahten.
    Jetzt stand ihm der Erdgeist in Gestalt seines Vaters gegenüber und sprach zu ihm so unbekümmert, als würde er über den Gartenzaun hinweg mit einem Nachbarn plaudern.
    Augenblick, das kann nicht wirklich sein, überlegte Gaborn.
    Ich muß träumen.
    Die Erde rings um ihn rumpelte heftig wie von einem
    Erdbeben geschüttelt, und die Blätter einer nahen großen Eiche raschelten im Wind.
    Er verstand die Bewegungen der Steine, das Rascheln der Blätter. »Welcher Unterschied besteht zwischen Wachen und Träumen?« fragte die Erde. »Ich begreife nicht. Aber höre mir zu!«
    Gaborn betrachtete das undeutliche

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